Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Unterm Radar der Corona-Grenzwerte
„Ich glaube, dass alle wieder besser aufgepasst haben“, sagt Thomas Neuhaus, Leiter des Krisenstabes.
REMSCHEID Ist es nun Zufall oder Ergebnis einer guten Strategie, dass Remscheid nun den zweiten Tag hintereinander beim Sieben-Tage-Inzidenz-Wert unter 50 gefallen ist? Thomas Neuhaus, Chef des Krisenstabes, will dem Braten noch nicht ganz trauen. Es sei schwer zu sagen, ob eine Verhaltensänderung zu dieser positiven Entwicklung geführt habe, während in den Nachbarstädten Solingen (69,1) und Wuppertal (60,5) die Werte in die Höhe schnellen. „Ich glaube, dass alle wieder besser aufgepasst haben, und es tut gut, etwas durchschnaufen zu können“, sagt Neuhaus. Mit einem aktuellen Wert von 43,1 zählt Remscheid nicht mehr zu den Städten, die als Risikogebiet eingestuft werden.
Kann jetzt jeder wieder innerhalb Deutschlands in Urlaub fahren? Leider nicht. Jedes Bundesland hat seine eigenen Regeln. Einige geben vor, eine Stadt müsse sieben Tage unterhalb des Grenzwertes liegen, für andere gilt der aktuelle Wert. „Das muss dringend geändert werden. Wir brauchen einheitliche Regeln“, sagt Thomas Neuhaus mit Blick auf die Landes- und Bundespolitik. Diese Art der Vielstaaterei verwirre die Bürger. Es sei den Bürgern auch nur schwer zu vermitteln, warum sie nicht in den Urlaub fahren dürfen, nur weil 120 Menschen in Remscheid an Covid-19 erkrankt sind.
Vor dem Test-Container auf der Allee-Straße bilden sich jeden Tag (außer sonntags) Schlangen von Menschen. „Wir schaffen am Tag 300 Tests“, sagt Torben Rolf Vogler von der Düsseldorfer Firma Zotz/Klimas. Zwei Mitarbeiter sind dabei für die Datenerfassung zuständig, einer macht den Abstrich. Mit 300 Tests habe man die Kapazitätsgrenze fast erreicht, sagt Vogler. Die meisten Testpersonen kämen aus Remscheid.
Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes haben laut Neuhaus bei einer Umfrage festgestellt, dass viele Kunden auch aus Wuppertal und der Umgebung angereist kämen. In den Nachbarstätten gibt es so eine Einrichtung nicht. Die Stadt und die Firma sind in Gesprächen, das Angebot eventuell zu erweitern.
Neuhaus rechnet vor, dass Tests in den nächsten Wochen immer wieder benötigt werden, vor allem bei Lehrern und Erziehern. Neuhaus lobte die Remscheider Ärzte für diese Initiative und die gute Zusammenarbeit in der Krise.
Seit Beginn der Corona-Krise (Erfassung seit April) wurden rund 7400 Kontaktpersonen und Verdachtsfälle ermittelt und betreut. Darunter rund 2800 Reiserückkehrer aus Risikogebieten, teilte die Stadt mit. Es wurden 22.000 coronabezogene Schreiben erstellt und 33.000 Dokumente gescannt. Es werden wöchentlich rund 150 Aussteigekarten von Flughäfen bearbeitet.
Aktuell sind rund 50 Personen
im Einsatz des Fachdienstes Gesundheit. Unterstützt werden sie von zehn Bundeswehrsoldaten. Sie helfen bis zum 23. Oktober bei den Abstrichen und der Nachverfolgung.
Von den Sommerferien bis zu den Herbstferien wurden alle Schülerinnen und Schüler, die mit Quarantäne belegt wurden,auch getestet. Dies geschah auf freiwilliger Basis. Das Robert-Koch-Institut sieht keine Tests in diesen Fällen vor. Bei 600 durchgeführten Tests kam es laut Gesundheitsamt nur zu zwei positiven Ergebnissen. Die Erkrankung ließen sich auf das häusliche Umfeld zurückführen. „Wir können sagen, dass die Schulen keine Hotspots sind“, sagt Neuhaus.
Negative Testergebnisse führten bei den betroffenen Schülerinnen und Schülern nicht zu einer Verkürzung
der Quarantänezeit. Das habe zu vielen Irritationen geführt. Aus diesem Grunde hat der Krisenstab beschlossen, künftig keine freiwilligen Tests mehr durchzuführen und die freiwerdenden Kapazitäten für pflichtige Tests einzuplanen. Die 2500 Tests in Altenheimen haben laut Neuhaus einen Zufallstreffer ergeben. „Die Lage ist nicht bedrohlich“, sagt Neuhaus.
Eine Prognose für die weitere Entwicklung will der Leiter des Krisenstabes nicht geben. „Je disziplinierter die Bürger sind, desto besser kommen wir durch die Zeit“, sagt Neuhaus. Er wünscht sich, dass Remscheid dauerhaft unter dem Radar der kritischen Zone bleibt.