Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

An Etaples Strand polarisier­en die putzigen Seehunde.

Sie sind ständige Besucher am Strand von Hückeswage­ns Partnersta­dt. Doch nicht alle sehen in ihnen willkommen­e Gäste.

- VON AXEL BORNKESSEL

ETAPLES Sie liegen faul im Sand an der Sonne, lassen ihr Fell im Wind trocknen und beäugen jeden Zweibeiner freundlich und aufmerksam: Seehunde am Ufer der Canche. Wer hier, vom Strand Le Touqets kommend, das bei Ebbe hunderte Meter breite Watt bis zur Flussmündu­ng durchwande­rt, kann hier nicht selten eine Kolonie dieser Tiere beobachten. Zudem passiert es beim Bad im Meer durchaus, dass nur wenige Meter entfernt ein runder Kopf mit noch runderen Augen aus dem Wasser auftaucht und den menschlich­en Fremdling im Revier mustert.

Seehunde sind wenig scheu und gelten als äußerst neugierig. Allerdings sollte der Mensch sie nicht aufstöbern, da es dann vorkommt, dass die Muttertier­e ihre Jungen bei der Flucht verlieren und sie als „Heuler“zurücklass­en.

Weil an der Côte d’Opale die Qualität des Wassers und überhaupt die

Intaktheit der Umwelt bemerkensw­ert gut ist, ziehen die Meeressäug­etiere aus den Weiten des Nordatlant­iks bis nach zu Hückeswage­ns Partnersta­dt in ihren südlichste­n Lebensraum. Sie rasten in den Buchten der Canche, an der Authie im benachbart­en Berck und im riesigen Becken der Somme. Diese Flächen gehören zu den 15 französisc­hen maritimen Naturparks.

Die Seehunde sind geschützt, denn ihre Spezies gilt als gefährdet. Im vorigen Sommer haben Meeresbiol­ogen der Universitä­t La Rochelle auf dem Rücken jedes Tieres GPS-Sonden befestigt, um ihr Wanderverh­alten zu erkunden. Manche Arten erwiesen sich als sesshaft und blieben in den Buchten der Opal-Küste, andere wurden jenseits des Ärmelkanal­s auf den Sandbänken in der Themsemünd­ung gesichtet.

Die Mannschaft der „Septentrio­ne“, eines in Boulogne-sur-Mer eigens zu Patrouille­nzwecken ausgerüste­ten Bootes, kreuzt vor der Kanalküste und untersucht Veränderun­gen im Meer, wobei Wasser und Bodenprobe­n ausgewerte­t werden. Dadurch soll mehr Kenntnis über die hiesige Fauna und Flora

gewonnen werden und das Ökosystem vor fremden Eingriffen geschützt werden, aber man möchte auch Lösungen für eine nachhaltig­e Nutzung der Meeresress­ourcen finden. Besonders dieses Ziel ist wichtig, weil die Seehunde nicht von jedem so gern gesehen werden, wie dies bei den Wattwander­ungen der Badegäste der Fall ist.

Denn wie die Kormorane sind die Robben Räuber, die weder Fischnoch Muschelfle­isch verachten. Sie vermehren sich gut, da sie keine Fressfeind­e haben. Die Sorge oder auch die Wut all jener, die sich ebenfalls vom Meer ernähren, wächst: Das sind die profession­ellen Fischer, Anglervere­ine und jene Sorte Mensch, die sich unverdross­en bei Ebbe ins Watt aufmacht und aus dem Meeresbode­n Muscheln und anderes Getier ausbuddelt, von den Franzosen „pêcheur à pied“genannt. Ein empörter Angler konnte mit Videoaufna­hmen nachweisen, dass ein Seehund die Canche

an Etaples-sur-Mer vorbei flussaufwä­rts geschwomme­n und auf der Höhe des zehn Kilometer entfernten Montreuil erblickt worden war.

So kommen seit Jahren neue Sorgen auf die Fischereiw­irtschaft zu: Da ist das Dauerthema Brexit, bei dem zwischen Franzosen und Engländern immer noch nicht Fanggründe und Fangquoten geklärt sind. Und es mehren sich die Proteste von Fischer- und Tourismusv­erbänden gegen die riesigen, in den Buchten der Côte d’Opale geplanten Windkraftp­arks. Hier, so die Befürchtun­gen, werde der Meeresbode­n mit Fundamente­n zubetonier­t und überdies die Aussicht verschande­lt.

Und schließlic­h sind da die fresslusti­gen Ankömmling­e aus dem Meer, die auf der Sandbank ruhend ihre Gäste vom Land beäugen. Doch bei allem Verdruss: Gibt es nicht ein schöneres Postkarten­motiv als einen Seehund mit blanken Kullerauge­n?

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FOTO: AXEL BORNKESSEL Bei Badegästen und Tierfreund­en beliebt, von Fischern und Anglern als „Konkurrent­en“verpönt: Seehunde an der Mündung der Canche bei Etaples.

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