Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Test-Ansturm strapaziert Labore
Die Beherbergungsverbote treiben Urlauber reihenweise in Praxen und Testzentren. Die umstrittene Regel ist auch Thema beim Treffen der Kanzlerin mit den Länderchefs an diesem Mittwoch. NRW will klarere Regeln für Hotspots.
DÜSSELDORF Die medizinischen Labore in Deutschland sehen sich durch das Beherbergungsverbot mehrerer Länder am Rand einer Überforderung. Grund sind die Corona-Tests für Urlauber. Die Inanspruchnahme durch die Tests in Berlin habe seit Freitag sprunghaft zugenommen, sagte der Vorsitzende der Akkreditierten Labore in der Medizin, Michael Müller. „Das gilt nicht für Berlin allein, sondern für alle ähnlich betroffenen Ballungsräume und Städte. Dadurch wird bei ohnehin stark ausgelasteten Laborkapazitäten das Testen von Infizierten, Kontaktpersonen und vulnerablen Gruppen noch deutlich erschwert“, kritisierte der Verband, der in Deutschland mehr als 200 medizinische Labore vertritt.
Zudem warnte Müller davor, dass die für Reisen wichtigen Fristen immer seltener gewährleistet werden können: „Die Zeitspannen von 24 Stunden für kritische Tests und von 48 Stunden für die ‚Urlaubsreisetests‘ können zunehmend weniger eingehalten werden.“
Zuletzt hatte es auch aus den Ländern Kritik am Beherbergungsverbot gegeben. Unter anderem hatten Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg die Regelung auf Eis gelegt, um die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Mittwoch abzuwarten.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sagte unserer Redaktion: „Wir brauchen den richtigen Schutz, daher müssen alle den Schwerpunkt auf wirklich wirksame Maßnahmen legen.“Dazu gehörten klare und konsequente Regeln in den Hotspots, die für alle Bürger verbindlich und nachvollziehbar seien. „Indem wir in den Hotspots einheitliche Kontaktbeschränkungen, die Beschränkung der Öffnungszeiten in der Gastronomie und bei Veranstaltungen umsetzen, können wir die Ausbreitung des Virus wirksam eindämmen“, sagte Laschet.
Der Grünen-Landtagsabgeordnete Mehrdad Mostofizadeh nannte die Diskussion über die Beherbergungsverbote problematisch. „Es ist zwar gut, dass NRW es nicht scharfgestellt hat, aber als größtes Bundesland sollte es sich noch entschiedener dafür einsetzen, dass es entweder bundesweit einheitliche Regelungen gibt oder aber nachvollziehbare und administrierbare.“Das Beherbergungsverbot erscheine ihm „ein wenig wie das Spielplatzverbot im Frühjahr: gut gemeint, schlecht gemacht und am Ende wirkungslos“, sagte Mostofizadeh. Gefährlich sei, dass nun noch über Ausreiseverbote für Menschen aus Risikogebieten diskutiert werde.
Eine solche Regel hatte Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery ins Spiel gebracht. „Die neuen Regeln sind viel zu kompliziert und uneinheitlich.“Es sei besser, stark betroffene Gebiete abzuriegeln und Reisen von dort, egal ob von Touristen, Geschäftsleuten oder zu Familienmitgliedern, zu unterbinden, so Montgomery. „Das Virus macht ja auch keinen Unterschied zwischen Geschäftsmann und Tourist.“
Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD) übte Kritik an den verschärften Regelungen, die Laschet am Wochenende für NRW angekündigt und das Gesundheitsministerium per Erlass am Montag konkretisiert hatte: „Mal wieder stiftet die Landesregierung in der Krise Verwirrung, wenn Klarheit gefragt ist. Die Verordnung versucht, viele Dinge zu regeln, lässt die Kommunen aber bei der Kontrollierbarkeit im Unklaren.“Kutschaty fragte: Wenn ein Paar mit zwei Kindern auf dem Spielplatz zum Beispiel auf andere treffe – dürften die sich dann zusammensetzen, und die Kinder dürften spielen, oder sei das ein unerlaubter Kontakt? „Wer soll das kontrollieren? So geht die Verordnung am Bedarf des Pandemiegeschehens vorbei und wird zum Papiertiger.“
Mit Blick auf die Sperrstunde in Risikogebieten forderte der SPD-Politiker zudem: „Das Land sollte sich für einen effektiven Schutz mehr um den Bus als um das Büdchen kümmern.“Gerade ältere und kranke Menschen seien häufig auf den Nahverkehr angewiesen. Damit sie sich dort gefahrlos bewegen können, müsse das Land mit Kommunen und Verkehrsbetrieben regeln, wer wann wie die Nutzung von Schutzmasken kontrolliere.