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Dehoga übt scharfe Kritik an Sperrstunden-Regel
Nach Einschätzung des Gastronomen-Verbands verschärfen die neuen Maßnahmen die Lage für die Branche. Die Grünen dringen auf stärkere Kontrollen.
DÜSSELDORF (gw/maxi/veke) Die Sperrstunde, die in mehreren NRW-Städten gilt, hat massive Kritik des Branchenverbands Dehoga NRW ausgelöst. Deren Präsident Bernd Niemeier sagte unserer Redaktion: „Wir befinden uns bereits in einem Tal. Und dann verlagert sich das Geschäft der Wirte zusätzlich noch von draußen nach drinnen. Die neuen Regelungen verschärfen die Lage zusätzlich.“Man wolle einen zweiten Lockdown um jeden Preis vermeiden, müsse aber aufpassen, dass man mit einem auch in NRW möglichen Beherbergungsverbot, der Sperrstunde und weiteren Maßnahmen nicht einen faktischen Lockdown bekomme. „Gefühlt treffen 90 Prozent aller Regelungen des jüngsten Erlasses unsere Branche.“
Der Dehoga Nordrhein hatte zuvor bereits angekündigt, dass ein Verbandsmitglied beim Verwaltungsgericht Düsseldorf einen Eilantrag gegen die neuen Regeln stellen werde. Verbandsgeschäftsführer Thomas Kolaric widerspricht der landläufig geäußerten Meinung, eine Sperrstunde ab 1 Uhr bedeute keine große Einschränkung für die Gastronomen: „Mehrere Altstadtwirte haben uns gesagt, dass das Geschäft ab 1 Uhr durchaus relevant ist. Manche bieten sogar Mahlzeiten bis in die frühen Morgenstunden an.“Eine Sperrstunde wie ab 22 Uhr in Köln ist für Bierbrauer auf jeden Fall fatal. „Jede Verschärfung, auch wenn sie sinnvoll sein mag, belastet unseren Absatz“, sagte Michael Hollmann, Chef der Bolten-Brauerei in Korschenbroich, unserer Redaktion. Bolten habe beim Fassbierverkauf,
der etwa 30 Prozent des Gesamtabsatzes ausmache, schon 40 bis 50 Prozent verloren. Hollmann fürchtet, „dass wir in diesem Jahr noch so manchen Gastronomen verlieren werden“. Sprich: Die Insolvenzwelle könnte durch die Branche rollen.
Bislang sind die Regeln unterschiedlich. In Köln beispielsweise gilt ab 22 Uhr ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum. Von freitags um 20 Uhr bis montags um 6 Uhr darf an Hotspots kein Alkohol verkauft werden. In Düsseldorf gilt eine
Sperrstunde ab 1 Uhr. Büdchen und Tankstellen dürfen dann bis sechs Uhr keinen Alkohol mehr verkaufen.
Dehoga-Präsident Niemeier sieht die Sperrstunde sehr kritisch. „Einerseits kann es zu einer Ballung in den erlaubten Zeiten führen beziehungsweise wenn alle zur gleichen Zeit vor die Tür müssen. Das kann nicht im Sinne des Infektionsschutzes sein. Andererseits wird sich vieles ins Private verlagern – und das ist dann ein Bereich ohne Abstände, Kontaktlisten und Hygiene-Regeln. Soll das sicherer sein?“
Grünen-Politiker Mehrdad Mostofizadeh forderte, die Landesregierung müsse bei ihren Regelungen mehr auf Durchsetzbarkeit achten. „Wenn man eine Sperrstunde vorschreibt, dann muss man von den Kommunen auch ein Konzept abfordern, wie die Kontrolle aussehen soll. Es kann ja nicht sein, dass sich beispielsweise die Wirte in den Randgebieten einer Stadt brav an die Sperrstunde halten, und im Stadtzentrum werden beide Augen zugedrückt. Halbherzige Lösungen helfen nicht weiter.“