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Japanische Firmen zieht es nach NRW
Der Brexit hat viele asiatische Unternehmen verunsichert. Zahlreiche Schwergewichte der japanischen Wirtschaft flüchten nach Düsseldorf. Auf der Asien-Pazifik-Konferenz wird dort auch über gemeinsame Digitalstrategien diskutiert.
DÜSSELDORF Im Stadtbild der Landeshauptstadt ist die japanische Kultur omnipräsent. Doch wie wichtig sind – angesichts der aktuellen internationalen wirtschaftspolitischen Verwerfungen – die deutsch-japanischen Beziehungen für NRW und für Düsseldorf? Für Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf, liegt die Antwort auf der Hand: „Gerade weil die USA und China als wichtigste Wirtschaftsländer der Welt im Streit liegen, zählt umso mehr, dass Japan und Deutschland als die Nummern drei und vier ihre guten Beziehungen weiter ausbauen“, sagt Berghausen. „Düsseldorf ist schon viele Jahre mit London und Paris eines der drei bedeutendsten Zentren der japanischen Gemeinschaft in Europa“, ergänzt Günther Horzetzky, Chef der Deutsch-Japanischen Gesellschaft am Niederrhein, „nun, da der Brexit kommt, gewinnt Düsseldorf weiter an Gewicht.“Und Andreas Wagner, Deutschland-Chef des Technologieunternehmens Mitsubishi Electric, sagt: „Die japanischen Unternehmen setzen stark auf Düsseldorf und Umgebung. Das liegt auch daran, dass die Mitarbeiter sich hier wohlfühlen und dass es in NRW viele wichtige Wirtschaftskontakte gibt.“
Die zentrale Bedeutung der deutsch-japanischen Wirtschaftsbeziehungen wird sich am 19. Oktober auf der Asien-Pazifik-Konferenz bestätigen, die wegen der Corona-Pandemie erstmals als digitale Konferenz stattfindet. Kanzlerin Angela Merkel wird die Eröffnungsrede halten, auf einem Forum werden Christian Klein, Chef des deutschen Softwareriesen SAP, und Masaki Sakuyama, Vorstandschef von Mitsubishi Electric, darüber sprechen, wie die beiden Länder bei der Digitalisierung enger zusammenarbeiten können. „Deutschland hat die Vision Industrie 4.0 und meint damit eine breite Digitalisierung gerade der Unternehmen, in Japan spricht man von Society 5.0 und meint eine noch breitere Digitalisierung der Gesellschaft“, sagt Deutschland-Chef Wagner.
Düsseldorf und Umgebung spielen eine große Rolle bei der deutsch-japanischen Kooperation. Die Hälfte der japanischen Direktinvestitionen
in Deutschland landen in NRW mit der Landeshauptstadt als dem wichtigsten Standort. Das zeigen Statistiken der Bundesbank. Ende 2019 wurden in Düsseldorf und Umgebung 641 japanische Unternehmen und Betriebsstätten gezählt, zehn Jahre davor waren es noch weniger als 500, so das japanische Generalkonsulat. Rund 40.000 Menschen arbeiten in NRW bei japanischen Unternehmen, schätzt NRW Invest. „Die große japanische Business Community leistet einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung unseres Wirtschaftsund Innovationsstandortes“, sagt NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP).
Obwohl die Corona-Krise die täglichen Direktflüge der Fluggesellschaft Ana von Düsseldorf nach Tokio unterbrochen hat, bleibt die Verbindung eng: Rund ein Viertel der Japaner in Deutschland lebt in oder bei Düsseldorf. Die japanische Schule in Oberkassel hat einen guten Ruf, es gibt Kindergärten und das Begegnungsfest Japan-Tag mit oft mehr als 500.000 Besuchern und einem Riesenfeuerwerk. Es wurde zwar in diesem Jahr wegen der Pandemie abgesagt, soll aber in Zukunft wieder stattfinden.
Und dank digitaler Technik sind sich Düsseldorf und Tokio fast genauso
nah wie vor der Corona-Krise. „Wir nutzen jetzt sehr viel mehr Videokonferenzen als früher“, sagt Mitsubishi-Electric-Mann Wagner. Aufwind bekommt der Austausch durch das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan, das im Februar 2019 in Kraft trat. Während US-Präsident Donald Trump die Barrieren hochzog, hatte die EU ihr bis dahin größtes Freihandelsabkommen vereinbart. Mit mehr als 600 Millionen Menschen, davon 450 Millionen in der EU und 125 Millionen in Japan, entsteht ein Wirtschaftsraum, in dem mehr als Viertel des globalen Bruttosozialprodukts erwirtschaftet werden. Und weil Großbritannien die EU verlassen hat, setzt NRW darauf, noch stärker das Einfallstor für den ostasiatischen Partner in Europa zu sein. „Japan und Deutschland haben seit mehr als 150 Jahren enge Beziehungen, wir sind beide rechtsstaatliche Demokratien“, sagt Horzetzky, früher Staatssekretär der nordrhein-westfälischen Landesregierung. „Gerade bei Technologieprodukten etwa für den Umweltschutz oder bei der Automatisierung von Fabriken ergänzen sich die Angebote.“
Er bestätigt, dass Japan die Nähe zu Deutschland auch aus strategischen Gründen sucht: „Japan sieht Deutschland und Düsseldorf auch als Eingangstor zur EU.“Japan habe das Problem, dass China in Asien immer dominanter werde, daher brauche das Land die Nähe zur Europa und zu den USA, um einen Ausgleich zu schaffen. „Japan setzt auf enge Partnerschaften mit anderen westlichen Demokratien, um sich auf globaler Ebene zu unterstützen.“