Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Das Dilemma des Corona-Impfstoffs
Weltweit gibt es 203 Projekte für ein Immun-Serum. Sind es am Ende zu viele?
Die Menschheit hat den Kampf mit dem Coronavirus massiv aufgenommen. Überall auf der Welt haben sich Kooperationen von Pharmakonzernen, Start-ups, Forschungsinstituten und Universitäten gegründet, die einen Impfstoff gegen die Pandemie entwickeln. Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller in Deutschland hat weltweit 203 Projekte ausgemacht. Normalerweise benötigen Unternehmen 15 bis 20 Jahre, bis ein neuer Impfstoff zugelassen wird. Jetzt muss alles viel schneller gehen, um die Menschheitsgeißel Nummer eins zu besiegen. Ungeheure Summen fließen in diesen Kampf. Und manche Ökonomen fragen sich, ob der gewaltige Aufwand wirklich gerechtfertigt ist. Bei knappen Ressourcen können Forschungsgelder nur einmal verwendet werden. Was also in die Bekämpfung von Covid-19 fließt, fehlt an anderer Stelle. Bislang hat die Krankheit 1,1 Millionen Menschen das Leben gekostet. Die Investitionen in den Impfstoff scheinen gerechtfertigt. Andererseits beklagt die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass 200.000 bis 400.000 Menschen in diesem Jahr mehr an Tuberkulose sterben, weil Länder wie Indien und Südafrika Gelder in die Corona-Forschung umgeleitet haben.
Zugleich haben große Pharmakonzerne wie Eli Lilly oder Johnson & Johnson gerade starke Rückschläge erlitten und müssen ihre Studien stoppen, weil Versuchspersonen plötzlich erkrankten. Der Weg zu einem Impfstoff ist also steinig und der Erfolg keineswegs gesichert. Die Gesundheitsbehörden sollten deshalb die Erforschung anderer Krankheiten – egal ob ansteckend oder nicht – jetzt nicht herunterfahren. Im Zweifel müssen wir auf einen Impfstoff vielleicht länger warten. Es bringt nichts, noch weitere Projekte anzustoßen, zumal die Gesamtwahrscheinlichkeit eines Erfolges kaum noch erhöht wird. Es ist gut möglich, dass jetzt schon zu viel geforscht wird.