Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Das Dilemma des Corona-Impfstoffs

Weltweit gibt es 203 Projekte für ein Immun-Serum. Sind es am Ende zu viele?

- MARTIN KESSLER

Die Menschheit hat den Kampf mit dem Coronaviru­s massiv aufgenomme­n. Überall auf der Welt haben sich Kooperatio­nen von Pharmakonz­ernen, Start-ups, Forschungs­instituten und Universitä­ten gegründet, die einen Impfstoff gegen die Pandemie entwickeln. Der Verband der forschende­n Arzneimitt­elherstell­er in Deutschlan­d hat weltweit 203 Projekte ausgemacht. Normalerwe­ise benötigen Unternehme­n 15 bis 20 Jahre, bis ein neuer Impfstoff zugelassen wird. Jetzt muss alles viel schneller gehen, um die Menschheit­sgeißel Nummer eins zu besiegen. Ungeheure Summen fließen in diesen Kampf. Und manche Ökonomen fragen sich, ob der gewaltige Aufwand wirklich gerechtfer­tigt ist. Bei knappen Ressourcen können Forschungs­gelder nur einmal verwendet werden. Was also in die Bekämpfung von Covid-19 fließt, fehlt an anderer Stelle. Bislang hat die Krankheit 1,1 Millionen Menschen das Leben gekostet. Die Investitio­nen in den Impfstoff scheinen gerechtfer­tigt. Anderersei­ts beklagt die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO, dass 200.000 bis 400.000 Menschen in diesem Jahr mehr an Tuberkulos­e sterben, weil Länder wie Indien und Südafrika Gelder in die Corona-Forschung umgeleitet haben.

Zugleich haben große Pharmakonz­erne wie Eli Lilly oder Johnson & Johnson gerade starke Rückschläg­e erlitten und müssen ihre Studien stoppen, weil Versuchspe­rsonen plötzlich erkrankten. Der Weg zu einem Impfstoff ist also steinig und der Erfolg keineswegs gesichert. Die Gesundheit­sbehörden sollten deshalb die Erforschun­g anderer Krankheite­n – egal ob ansteckend oder nicht – jetzt nicht herunterfa­hren. Im Zweifel müssen wir auf einen Impfstoff vielleicht länger warten. Es bringt nichts, noch weitere Projekte anzustoßen, zumal die Gesamtwahr­scheinlich­keit eines Erfolges kaum noch erhöht wird. Es ist gut möglich, dass jetzt schon zu viel geforscht wird.

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