Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Weltklassik-Konzert sorgt für Gänsehaut
Pianistin Sofja Gülbadamova war in der Lenneper Klosterkirche zu Gast und hinterließ einen bleibenden Eindruck.
LENNEP (dad) Sofja Gülbadamova bleibt Weltklassik am Klavier treu. Mag die Russin sonst auch in großen Konzerthäusern auftreten – sie schätzt weiterhin die intime Atmosphäre, die die Weltklassik-Spielstätten bieten. Mehr noch: Für diese Reihe stellt sie „Herzensprogramme“zusammen, bei denen sie ihre Lieblingskomponisten vorstellt.
Um „große Weisheiten in kleiner Form“ging es bei Gülbadamovas Solo-Recital in der Klosterkirche. Das Motto stammt vom Musikwissenschaftler
Jan Caeyers und bezieht sich auf die späten Bagatellen von Beethoven. Ohne weiteres lässt sich der Begriff aber auch auf die Miniaturen von Mendelssohn Bartholdy und Schubert übertragen, die die Pianistin Beethoven an die Seite stellte. Dessen Bagatellen Opus 119, kommentierte sie, hätten der Klaviermusik der nachfolgenden Generationen den Weg geebnet.
Entsprechend gefühlsstark war ihre Interpretation der elf Stücke, die seit den 1790er-Jahren entstanden und oft nur ein paar Takte lang sind. Mehr als eine Überraschung bot sie etwa mit der Nr. 1, bei der sich zwei Gegensatz-Themen förmlich ein Wettrennen lieferten. Es folgten Wechselspiele mit Echo-Effekten und Triller-Läufen, im Zaum gehalten von zarten Akkorden. Ein neuer, prägnanter Ton stellte sich mit der Nr. 6 ein. Weiter ging es mit den Bagatellen, die Beethoven in einem Rutsch 1820 schrieb. Deren Themen waren von klangschöner Sanglichkeit.
Es war wie ein Vorgriff auf elf „Lieder ohne Worte“von Mendelssohn, in die Gülbadamova ohne Pause überging. Mit seinen liedhaften Charakterstücken schuf der vielseitig Begabte ein typisch romantisches Genre. Ob fröhliche Jagdmelodie oder langsam schreitender Trauermarsch – die Pianistin gab ihnen subtil Ausdruck und meisterte auch die ausgefeilten Figuren, die viele der „Lieder“in die Nähe von Virtuosenstücken rücken. Die Schlussnummer, „Duetto“, war für sie geradezu ein Sinnbild. Ein Konzert müsse wie ein „Duett“sein, sagte die Musikerin. „Ohne Publikum gibt es diesen Austausch, diesen Dialog nicht. Die Musik ist eine Antwort auf die Energie, die man aus dem Saal empfängt.“Auf Gülbadamovas Spiel reagierten die 70 Gäste mit frenetischem Beifall.
Bleibende Eindrücke hinterließ sie auch mit Schuberts „Moments musicaux“. Bei der Nr. 2 zog sich ein Grollen durch die Bässe, das Gänsehaut garantierte. Reizvoll gestaltete die latente Zweistimmigkeit der Nr. 4, mit der sich der Komponist vor Bach verbeugt. Der Ohrwurm des Zyklus glänzte dagegen eher matt. Die Nr. 3, bekannt auch als „Air russe“, lässt sich als Tanz ausdeuten. Gülbadamova dagegen ging die Melodie langsam, fast zögernd an. Da konnte sich rhythmischer Schwung nicht so recht entfalten.
Das nächste Weltklassik-Konzert: 22. November, 17 Uhr. Nadejda Vlaeva spielt Werke von Beethoven bis Brahms.