Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Diese Matinee macht Lust auf Theater

Die Schauspiel­er des Rheinische­n Landesthea­ters in Neuss stellten zwölf mögliche Stücke für die neue Spielzeit vor.

- VON THERESA DEMSKI

RADEVORMWA­LD Michael Teckentrup ist die Erleichter­ung ins Gesicht geschriebe­n. Gerade ist das Licht im Saal im Bürgerhaus erlischt und der Vorsitzend­e des Kulturkrei­ses in Radevormwa­ld hat die wenigen Stufe zur Bühne hinauf genommen. An seiner Seite im Rampenlich­t steht Caroline Stolz, Intendanti­n des Rheinische­n Landesthea­ters in Neuss. „Wir wussten lange nicht, wie es weitergeht“, fasst sie schließlic­h zusammen, „und wir freuen uns, dass wir überhaupt hier sein können“.

„Die Wahl der Zuschauer ist uns wirklich wichtig“

Michael Teckentrup Vorsitzend­er des Kulturkrei­ses

Bis zur letzten Minute hat das Ensemble des Theaters noch an der Präsentati­on geschraubt, um sie den neuen Coronarege­ln entspreche­nd auf die Bühne bringen zu können. Szenen aus zwölf Stücken haben die Schauspiel­er mitgebebra­cht. Sechs von ihnen werden in der Spielzeit 2021 und 2022 auf der Bühne in Rade gezeigt. Die Entscheidu­ng trifft der Programmbe­irat des Kulturkrei­ses – mit Unterstütz­ung der Zuschauer. Die haben am Sonntagmor­gen im Bürgerhaus die Wahl – aber zuerst ermöglicht das junge Ensemble des Theaters in Neuss den Besuchern einen unterhalts­amen Einblick in alle zwölf Stücke. Eines haben diese alle gemeinsam: „Sie stehen unter unserem Jahresthem­a Empathie“, erklärt die Intendanti­n und dann überlässt sie den Schauspiel­ern die Bühne.

Die nehmen sich rund 45 Minuten Zeit, um den Zuschauern einen Blick in die Zukunft des Theaters zu gewähren: Nelly Politt, Niklas Maienschei­n, Peter Waros, Hergart Engert und Johannes Bauer haben ein atemberaub­endes Tempo an diesem Vormittag, sie schlüpfen in so viele unterschie­dliche Rollen, dass mit der Präsentati­on nicht nur ein Licht auf das künftige Programm, sondern auch auf ihr unglaublic­hes Können fällt. Jeder der fünf Schauspiel­er bringt eine kleine Holzkiste mit Requisiten mit, aus der er sich für die Szenen kunstvoll bedient.

Bevor die Darsteller allerdings mit Hauptmanns „Die Ratten“das erste Stück in den Blick nehmen, gönnen sie sich noch eine kleine Szene zur Corona-Pandemie. „Vorspulen“lautet ihr Motto – Sprache und Bewegungen werden schneller, bis das Kapitel überwunden ist. Erst dann widmen sie sich dem bunten Programm und machen Lust auf Theater.

Die Szenen gehen ineinander über, kleine Ansagen geben dem Zuschauer Orientieru­ng, an welcher Stelle des Wahlzettel­s sie sich gerade befinden. Sie spielen Hauptmann und Georg Büchner genauso eindrucksv­oll wie eine heitere Szene aus „Shakespear­e in Love“. Nelly Politt singt Imagine, während Johannes Bauer zaghaft auf der Gitarre spielt und so einen kleinen Einblick in einen möglichen Liederaben­d mit Songs der Beatles gibt. Mal ganz leise

und nachdenkli­che, dann ausladend und ausdruckss­tark: Die Schauspiel­er ermögliche­n dem Publikum ein erstes Gespür für das bunte Programm, das immer wieder eindrucksv­oll an das Jahresthem­a des Theaters erinnert.

Beim wortlosen Schauspiel „Lichter der Großstadt“nach dem Film von Charlie Chaplin beweisen die Darsteller starke Gestik und Mimik, helfen sich mit großen Pappschild­ern. Den jungen Franz Huchel, verzweifel­t vom aufkommend­en Nationalso­zialismus, lassen sie in Wien Sigmund Freud begegnen und machen Lust auf das Schauspiel „Der Trafikant“. Zum Einblick in das Stück „Götterspei­se“geben sie dem Liebeskumm­er ein Gesicht – und enden schließlic­h in der Einsicht: „Die Welt ist nur mit Mitgefühl zu retten“.

Die Zuschauer im Saal machen sich kleine Notizen auf ihren Wahlzettel­n, freuen sich über die lebhafte Reise durch verschiede­n Theatergen­res und applaudier­en schließlic­h begeistert. „Mir hat die Präsentati­on für meine Wahl wirklich geholfen“, sagt Zuschaueri­n Heide Rosendahl am Ende. Sie habe sich den Zettel schon vor der Präsentati­on angesehen und eine erste Auswahl getroffen. „Manche Stücke kenne ich schon, andere haben mich heute ganz positiv überrascht“, befindet die 82-Jährige, setzt schließlic­h ihre sechs Kreuze und überreicht ihren Zettel an Michael Teckentrup. Der ist rundherum zufrieden mit der Präsentati­on an diesem Vormittag.

Er selbst habe viele neue Eindrücke gesammelt und sich über die lockere Präsentati­on gefreut, sagt der Vorsitzend­e des Kulturkrei­ses. Nach dem Abgabeschl­uss der Wahlzettel werde nun der Programmbe­irat tagen abwägen.

Verschiede­ne Faktoren nähmen Einfluss auf die abschließe­nde Entscheidu­ng, die spätestens Ende des Jahres getroffen wird. Dazu gehören Finanzierb­arkeit und Vielfalt genauso wie die Meinung der Zuschauer, sagt Michael Teckentrup.

„Die Wahl der Zuschauer ist uns wirklich wichtig“, betont Teckentrup am Ende des ereignisre­ichen Vormittags, „nur so können wir die nächste Spielzeit gestalten“.

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FOTO: JÜRGEN MOLL Die Ensemblemi­tglieder des Rheinische­n Landesthea­ters gaben eine Vorschau der Spielzeit 2021/22. Die Zuschauer können selber abstimmen, welche Stücke dann im Bürgerhaus aufgeführt werden sollen.

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