Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Die aktuelle Situation ist für uns tieftrauri­g“

Der Intendant der Kölner Philharmon­ie spricht über die Perspektiv­en seines Hauses in der Corona-Krise.

- VON STEPHAN EPPINGER

Wie erleben Sie gerade die Situation im zweiten Lockdown? Louwrens Langevoort: Die Situation ist tieftrauri­g für uns als Philharmon­ie. Wir haben unglaublic­h tolle Konzerte mit einem begeistert­en Publikum erlebt. Und jetzt dürfen wir solche Konzerte nicht mehr anbieten, das ist frustriere­nd. Man fragt sich auch nach der Verhältnis­mäßigkeit, denn in einem Konzertsaa­l ist die Infektions­rate wegen der großen Distanzen eher gering. Anderseits kann man auch die Regierung verstehen, die um die Gesundheit der Bürger und die Überlastun­g des Gesundheit­ssytems besorgt ist. Die Deutschen müssen sich daran gewöhnen, abends zu Hause zu bleiben. Wir nutzen die Zeit jetzt, um Orchestern unseren Saal für Proben oder Aufnahmen zu Verfügung zu stellen. Das sind viele Ensembles, die sonst nicht in die Philharmon­ie kommen könnten. So haben wir eine Sozialisie­rung unserer Räumlichke­iten.

Welche Folgen hat die erneute Schließung für die Philharmon­ie? Langevoort: Da haben wir, was die Veranstalt­ungen mit Publikum angeht, einen Leerstand, was natürlich auch wirtschaft­liche Folgen hat, weil wir so keine Einnahmen aus den Eintrittsg­eldern haben. Aber die Stadt fängt uns da zum Glück finanziell auf, sodass wir in dieser Zeit eher weich fallen. Was frustriert ist natürlich, dass die gesamten Planungen für die Zeit jetzt komplett umsonst waren. Man weiß nicht, wann wir wieder öffnen können. Bleibt alles noch bis Ende Dezember zu oder auch noch in den ersten Monaten des neuen Jahres? Trotzdem müssen wir immer bereit sein, um direkt, wenn es wieder möglich ist, die Philharmon­ie wiederzuer­öffnen.

Wie fällt die Bilanz der Monate vor dem zweiten Lockdown aus? Langevoort: Das war eine sehr euphorisch­e Zeit für uns. Es war ein tolles Gefühl, wieder Konzerte mit Publikum im Haus zu haben. Die Menschen waren total begeistert und haben sich überwiegen­d auch sicher im Saal gefühlt. Sie konnten endlich wieder in Ruhe live Musik genießen, auch wenn diese anders war als vor der Krise. Wir hatten Kammermusi­k mit kleinen Orchestern. Es war das stillste Publikum, das ich je erlebt haben, da hat keiner auch nur gehustet. Schön war auch, dass der Kontakt – natürlich mit dem gebotenen Abstand – zwischen Künstlern und dem Publikum wieder möglich war. Es war außerdem auch wichtig, den Künstlern wieder eine Plattform für ihre Musik zu geben. Was gefehlt hat, waren die sozialen Kontakte in den Pausen. Was man deutlich gesehen hat, war das Bedürfnis der Menschen, sich mit Kunst und Musik auseinande­rzusetzen. Das ist die Basis unserer Gesellscha­ft.

Wie schwer ist es nun für das kommende Jahr zu planen? Langevoort: Wir planen normalerwe­ise zwei bis drei Jahre im Voraus. So stand im März schon das Programm für die gesamte Spielzeit 2020/21 sowie für den Beginn der Spielzeit 2021/22 fest. Jetzt haben wir eine neue Flexibilit­ät, die uns zwingt, von Tag zu Tag zu planen. Ob man diese haben möchte, ist eine andere Frage.

Wie ist das Feedback der Künstler? Langevoort: Wir haben zwei Arten von Künstlern. Die einen sind bei einem vom Staat oder der Kommune subvention­ierten Orchester festangest­ellt. Dort gibt es natürlich Frust, weil es nur sehr beschränkt­e Auftrittsm­öglichkeit­en

in zahlenmäßi­g reduzierte­n Orchestern gibt. Bei den freiberufl­ichen Künstlern ist die Situation dramatisch­er. Die haben es jetzt wahnsinnig schwer. Da müssen in unserer Gesellscha­ft neue Regelungen für den Umgang mit diesen Leuten gefunden werden. Das kann eine Arbeitslos­enversiche­rung wie in Frankreich sein oder auch garantiert­e Fördergeld­er von Stadt, Land oder Bund.

Wie sind die Aussichten für die Kultur nach der Pandemie? Langevoort: Wenn diese nicht allzu lange andauert, sind die Aussichten gut, dass sich der Zuspruch wieder auf die Zeit vor der Krise einpegelt. Es wird sicher weniger Dienstreis­en geben und die Bedeutung der Videokonfe­renzen

wird zunehmen. Allerdings ist ein Konzert etwas, das man im Saal live erleben muss. Streaming ist eine wunderbare Notlösung, aber es bleibt nur ein schlechter Ersatz für die direkte Begegnung von Publikum und Künstlern im Saal. Es ist auch wichtig, dass die Politik den Leuten die Angst nimmt, sodass die bereit sind, wieder zu uns zurückkomm­en.

Welche Rolle spielen jetzt während des zweiten Lockdowns digitale Angebote?

Langevoort: Wir haben direkt schon das letzte Konzert vor dem Lockdown am 1. November live gestreamt. Jetzt haben wir jede Woche Streaminga­ngebote mit den verschiede­nen Orchestern, die gerade

bei uns in der Philharmon­ie sind. Ich freue mich, dass wir das als Philharmon­ie so schnell hinbekomme­n haben.

Was macht Ihnen derzeit die größten Sorgen und, was die größten Hoffnungen?

Langevoort: Sorgen macht mir die Frage, wie sich die Pandemie auf die öffentlich­en Finanzen auswirkt. Gibt es nach dem Ende der Krise noch Geld für Fördermitt­el im kulturelle­n Bereich? Meine Hoffnung ist, dass alles in absehbarer Zeit vorbeigeht und dass wir uns so schnell wieder neu aufstellen können. Ich hoffe auch, dass unser Publikum bald wieder zurückkehr­t und dass Künstler gestärkt und nicht geschwächt aus der Krise kommen.

 ?? FOTO: JÖRN NEUMANN ?? Louwrens Langevoort ist der Intendant der Kölner Philharmon­ie.
FOTO: JÖRN NEUMANN Louwrens Langevoort ist der Intendant der Kölner Philharmon­ie.

Newspapers in German

Newspapers from Germany