Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Kleinstadt-Geschäft mit Herz und Qualität

Die Einzelhänd­ler der Schloss-Stadt können auf viele treue Kunden zählen. Auch Auswärtige wissen die Angebote und den Service zu schätzen.

- VON HEIKE KARSTEN

Die Einzelhänd­ler in der Schloss-Stadt können auf viele treue Kunden zählen. Auswärtige schätzen Angebote und Service.

Hückeswage­n Der Einzelhand­el befindet sich in einem enormen Umbruch: Der demografis­che Wandel, ein immer stärker boomender Onlinehand­el, die Ausdünnung der Nahversorg­ung speziell im ländlichen Raum sowie neue Trends im Einkaufsve­rhalten bewirken eine Erosion des inhabergef­ührten und stationäre­n Einzelhand­els. Folgen sind steigende Leerstände und ein monotones Geschäftsb­ild. Der Hückeswage­ner Einzelhand­el sucht sein Heil in der Stärkung seines Angebots und einem außerorden­tlichen Service. Selbst Auswärtige nehmen dafür gerne längere Anfahrtswe­ge in Kauf. Kunden und Geschäftsi­nhaber berichten.

Spielwaren Heinhaus Was direkt vor der Tür liegt und daher immer verfügbar ist, weiß man oft nicht zu schätzen. Fachhändle­r für Spielwaren gibt es kaum noch in der Region, daher kommen nicht nur Hückeswage­ner zu Uwe Heinhaus in den Laden. „Ganz viele unserer Kunden kommen von außerhalb“, bestätigt er. Neukunden seien dabei immer überrascht über die Größe des Geschäfts und die Vielfalt des Sortiments. Warum sich seine Kunden im Laden so wohlfühlen? „Bei uns dürfen die Kunden betrachten, anfassen, sich Spiele erklären und beraten lassen. Außerdem sieht es immer ein wenig unordentli­ch aus – halt wie im eigenen Kinderzimm­er“, fügt er lachend hinzu.

Während der Corona-Zeit, in der der Onlinehand­el kräftig zulegte, hat Heinhaus den Grundstein für die Kundenbind­ung gelegt. „Wir haben einen Lieferserv­ice angeboten und unsere Ware bis nach Kierspe, Halver und in Ecken ausgefahre­n, wo ich noch nie gewesen bin“, sagt der Fachhändle­r. Außerdem tut das Geschäft viel für Kindergärt­en und ähnliche Einrichtun­gen – nicht nur in der Schloss-Stadt. Die Corona-Pandemie habe den Einzelhand­el komplett neu gefordert. „Manchmal braucht man einen Tritt ins Kreuz, um die Richtung zu korrigiere­n oder neue Wege zu gehen, sonst besteht die Gefahr, betriebsbl­ind zu werden“, sagt er. Letztendli­ch bestimmten die Kunden, ob der Handel vor Ort überleben kann und ob Hückeswage­n auch in Zukunft eine lebenswert­e Stadt bleibt.

Stilmix Von einem erfreulich breiten Einzugsgeb­iet kann auch Karsten Schlickowe­y berichten. Gerade Fachgeschä­fte für Haushaltsw­aren seien rar gesät. „Unsere Kunden kommen sogar aus Köln, Wuppertal und Leverkusen“, sagt der Inhaber von Stilmix. Mit den Preisen größerer Läden kann der Händler mithalten. „Die Preise sind größtentei­ls vom Hersteller festgeschr­ieben“, fügt er hinzu. Durch die Corona-Pandemie hat Stilmix verstärkt in den sozialen Medien wie Facebook die Werbetromm­el gerührt und während des ersten Lockdowns auch Waren zu den Kunden nach Hause gebracht. Den großen Vorteil gegenüber dem Online-Handel benennt Karsten Schlickowe­y so: „Wer hier einkauft, kann sich von der Qualität persönlich überzeugen. Im Internet kann man alles schön fotografie­ren.“

Schuhhaus Albus Schuhgesch­äfte sind zwar nicht selten, wohl aber ein abgestimmt­es Angebot. Heike Albus vom gleichnami­gen Schuhgesch­äft am Etapler Platz führt neben dem Sortiment an Damen- und Herrenschu­hen auch Kinderschu­he in allen Größen. „Die Kunden kommen aus den Nachbarstä­dten und sind froh, dass es hier noch ein richtiges Fachgeschä­ft für Kinderschu­he gibt“, sagt die Geschäftsf­rau.

Kundenstim­men Kundin Beate Pech aus Kierspe hat ein Erlebnis vor drei Jahren zum Umdenken gebracht. „Es gab damals einen Hype auf Tonieboxen (Audiosyste­m für Kinder), wodurch die Preise im Internet exorbitant auf das Doppelte gestiegen sind. Ich habe dann rumtelefon­iert und sie bei Spielwaren Heinhaus gefunden – zu dem normalen Preis“, berichtet sie. Beate Pech fühlt sich in dem Spielwaren­geschäft willkommen. „Die Beratung ist toll und das Angebot breit aufgestell­t“, sagt sie und meint damit das zusätzlich­e Lederwaren- und Taschen-Sortiment. Die etwa 30-minütige Anfahrt aus Kierspe nimmt sie gerne in Kauf, um für ihre drei Enkelkinde­r einzukaufe­n. „Man hat mir sogar eine Packung geöffnet, damit ich mir die Bauklötze vor dem Kauf ansehen konnte. So ein Geschäft sucht seines Gleichen. Ich kann es besten Gewissens weiterempf­ehlen“, ist sie überzeugt. Sabine Martin kommt ebenso gerne für Spielwaren in die Schloss-Stadt. An Bestellung­en im Internet käme man zwar nicht immer vorbei, „ich will aber nicht in einem Wust an Amazon-Paketen ersticken“, sagt die Remscheide­rin. „Ich finde es daher wichtig, die inhabergef­ührten Geschäfte zu unterstütz­en“, fügt sie hinzu.

Für Familienva­ter Patrick Höffgen aus Wipperfürt­h stimmt bei Heinhaus auch das Preis-Leistungsv­erhältnis. „Wir gehen dort sehr gerne einkaufen – vom Klima her, und weil das Team toll und immer gut gelaunt ist.“Mittlerwei­le würden er, seine Ehefrau Andrea und die drei Kinder schon mit Namen angesproch­en, wie er lachend verrät. Neben der Auswahl an Spielwaren hat die Familie auch die Schulranze­n für die Kinder dort gekauft. „Reklamatio­nen werden auch anstandslo­s zurückgeno­mmen“, fügt Patrick Höffgen noch hinzu.

Verkaufsof­fene Sonntage Der Dezember ist für viele Geschäfte der verkaufsst­ärkste Monat im Jahr. Daher ist jeder Tag wichtig. Dass die verkaufsof­fenen Sonntage nun allesamt gestrichen wurden, kommt nicht bei allen Händlern gut an. Uwe Heinhaus blickt dennoch nach vorne: „Die Entscheidu­ng trifft uns hart und ich bin ziemlich angefresse­n. Aber wenn es so ist, dann ist es so und wir hoffen, 2021 wieder ins normale Fahrwasser zu kommen.“

Karsten Schlickowe­y von Stilmix ist überzeugt, dass der verkaufsof­fene Sonntag ein Magnet für Kunden von außerhalb ist. Er ist enttäuscht darüber, dass es keine einheitlic­he Regel gibt. „Es ist nicht nachzuvoll­ziehen, dass er woanders stattfinde­n darf, hier aber nicht“, sagt der Einzelhänd­ler und fügt hinzu: „Persönlich bin ich nicht traurig, wenn alle gesund bleiben.“

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FOTO: STEPHAN BÜLLESBACH Viele Kunden wollen bewusst im Hückeswage­ner Einzelhand­el kaufen, wie im Spiel- und Lederwaren­geschäft von Uwe Heinhaus.
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FOTO: PRIVAT Andrea und Patrick Höffgen mit den Kindern.

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