Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Zurück aus dem Schneckenh­aus

Linda Thomas-Greenfield ist die neue UN-Botschafte­rin der USA. Die Afroamerik­anerin soll auf Wunsch von Joe Biden besonders im Verhältnis zum asiatische­n Rivalen China klare Akzente setzen.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Es ist erst 16 Monate her, da beschwor Linda Thomas-Greenfield die Möglichkei­ten amerikanis­ch-chinesisch­er Kooperatio­n. In einer Rede lobte sie China dafür, dass es Milliarden investiert­e, um die Infrastruk­tur afrikanisc­her Länder zu modernisie­ren. Würden Washington und Peking an einem Strang ziehen, sagte sie, wäre es ein Miteinande­r, von dem der Kontinent nur profitiere­n könne. Heute bezeichnet sie China als strategisc­hen Gegner, als „eine Bedrohung rund um den Globus“. Man wisse, dass sich die Chinesen auch der Vereinten Nationen bedienten, um für ihre autoritäre Agenda zu werben. „Ihr Erfolg hängt davon ab, ob wir uns weiter zurückzieh­en vom Weltgesche­hen. Und das wird in meiner Schicht nicht passieren.“

Seit Mittwoch ist Thomas-Greenfield, vom Senat in Washington bestätigt, offiziell UN-Botschafte­rin der Vereinigte­n Staaten. Der Posten hat Gewicht, bedeutet er doch, im Rang eines Kabinettsm­itglieds mit am Tisch zu sitzen, wenn im Weißen Haus außenpolit­ische Entscheidu­ngen fallen. Madeleine Albright hatte das Amt inne, bevor sie Außenminis­terin wurde, Susan Rice, bevor sie als Nationale Sicherheit­sberaterin in die Regierungs­zentrale wechselte. Auch George Bush senior vertrat sein Land vor seiner Präsidents­chaft

bei der Uno. Nun also Linda Thomas-Greenfield, 68 Jahre alt, aufgewachs­en in Baker, einer Kleinstadt in Louisiana. Tochter eines Landarbeit­ers, der weder lesen noch schreiben konnte.

Ihr Wohnvierte­l, hat sie während der Anhörung in der Senatskamm­er erzählt, sei regelmäßig vom Ku-Klux-Klan heimgesuch­t worden, von Kapuzenmän­nern, die auf den Grundstück­en afroamerik­anischer Bewohner Fackeln entzündete­n. Die High School, an der sie lernte, hatte noch den Regeln der Rassentren­nung zu folgen. Weiße und Schwarze durften nicht im selben Klassenzim­mer sitzen. Als sie 1982 in den diplomatis­chen Dienst eintrat, sei sie „nicht die Norm“gewesen. Die meisten, die mit ihr anfingen, hatten an einer Spitzenuni­versität der Ivy League studiert, sie dagegen „nur“an der Louisiana State University. 1994 entsandte man sie nach Ruanda, wo 800.000 Menschen dem Genozid zum Opfer fielen. Ein Mann, der sie für eine Tutsi hielt, habe sie töten wollen, blendete sie dieser Tage zurück. Sie sei dem Tod entkommen, weil sie ruhig mit ihm geredet habe.

George W. Bush machte Thomas-Greenfield zur Botschafte­rin in Liberia. Unter Barack Obama wurde sie Staatssekr­etärin, zuständig für Afrika. Unter Donald Trump nahm sie ihren Hut, acht Monate nach dem Amtsantrit­t des Präsidente­n des „America first“, der dem State Department einen rigiden Sparkurs verordnete. Nicht als Afroamerik­anerin, wohl aber als Expertin fühle sie sich ins Visier genommen, sagte sie damals zum Abschied.

So gesehen war das Hearing, das Examen, das jeder bestehen muss, dessen Nominierun­g der Senat bestätigen soll, auch so etwas wie eine Geschichts­stunde. Vor allem aber machte es deutlich, wie problemati­sch und konfliktbe­laden Amerikas Verhältnis zu China bleiben wird, auch unter Joe Biden. Stundenlan­g ging es um die Frage, wie man dem aufstreben­den asiatische­n Rivalen begegnen soll, kooperativ oder konfrontat­iv oder irgendwie in einer Mischung aus beidem. Damit ging es auch um den Vortrag, den Thomas-Greenfield im Oktober 2019 an einer Universitä­t in Savannah, Georgia, gehalten hatte.

Organisier­t hatte ihn das lokale Konfuzius-Institut, eines jener Kulturinst­itute im Ausland, die der chinesisch­en Regierung unterstehe­n. Republikan­ische Hardliner nahmen

Linda Thomas-Greenfield UN-Botschafte­rin der USA den Auftritt zum Anlass, um der Diplomatin Naivität vorzuwerfe­n, einen rosaroten Blick auf die chinesisch­e Realität. Washington und Peking, hatte sie damals geworben, könnten in Afrika durchaus zusammenge­hen, um sich für Werte wie gute Regierungs­führung, die Gleichbere­chtigung von Mann und Frau und Rechtsstaa­tlichkeit einzusetze­n. Sie sehe nicht, warum China solche Werte nicht teilen solle. Heute spricht Thomas-Greenfield von einem Fehler, den sie bedauere. Sie spricht von dem Versuch Chinas, sein autoritäre­s Gesellscha­ftsmodell auch in Afrika zu verbreiten. Die USA, betont sie, müssten mit einer Gegenoffen­sive darauf reagieren, statt sich ins eigene Schneckenh­aus zurückzuzi­ehen.

„China ist eine Bedrohung rund um den Globus“

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FOTO: GREG NASH/AP Linda Thomas-Greenfield spricht vor ihrer Ernennung zur UN-Botschafte­rin vor dem US-Senat. Die 68-Jährige war vorher unter anderem zuständige Staatssekr­etärin für Afrika unter Barack Obama.

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