Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Erst der Schnelltest, dann die Debatte
Nach sechs Stunden Beratung verabschiedet der neue Rat die Haushaltsplanung für die beiden folgenden Jahre. Sie steht im Zeichen der Pandemie. Erstmals gab es im Vorfeld einer Sitzung Schnelltests auf das Coronavirus.
REMSCHEID Der im Herbst 2020 neu gewählte Stadtrat hat sein erstes großes Projekt auf den Weg gebracht. Am Ende einer fast sechsstündigen Marathon-Sitzung beschloss eine breite Mehrheit am Donnerstagabend den Haushaltsplan für dieses und das kommende Jahr. Wie Kämmerer Sven Wiertz (SPD) kurz vor 22 Uhr nach einer kleinen Rechenpause verkündete, bedeuten die gefassten Beschlüsse unter dem Strich ein erwartetes leichtes Plus von 661.000 Euro für 2021 und 1,84 Millionen Euro Überschuss im kommenden Jahr. Insgesamt hat der Haushalt 2021 ein Volumen von 448 Millionen Euro. Einige Ergebnisse im Detail.
Elternbeiträge Die CDU konnte sich mit ihrem Antrag, Beiträge für Kita, OGS und Kindertagespflege komplett abzuschaffen, nicht durchsetzen. Er hätte einen Einnahmeverlust von 4,8 Millionen Euro pro Jahr bedeutet, wie Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz (SPD) erklärte. „Unseriös“nannte David Schichel (Grüne) den Antrag, weil er bedeute, dass die Stadt keinen „verfassungsgemäßen Haushalt“mit einer „schwarzen Null“vorlegen könne. Mathias Heidtmann (CDU) wies darauf hin, dass die Ratsmehrheit aus SPD, Grünen und FDP in ihrem Koalitionsvertrag die Beitragsfreiheit selber als Ziel für die nächsten Jahre ausgegeben habe. „Der gegenwärtige Haushalt bietet diesen Spielraum nicht an“, entgegnete Kämmerer Sven Wiertz. Brigitte Neff-Wetzel (Linke) sagte, sie sympathisiere sehr mit dem CDU-Antrag. Beschlossen wurde am Ende der Plan der „Ampel“, die Beitragsstaffeln zu ändern. Ab einem Jahreseinkommen von 19.000 Euro müssen Eltern für die Betreuung zahlen.
Beitragsrückzahlung Wirkung zeigte die Initiative der CDU, jenen Eltern für die letzte Dezemberwoche Beiträge zurückzuerstatten, die ihre Kinder wegen der Pandemie vor Weihnachten nicht in die Betreuung geschickt hatten. Familienminister Joachim Stamp (FDP) hatte damals einen entsprechenden Appell an die Eltern gerichtet. Die Familien müssen für eine Rückzahlung einen Antrag stellen.
Computer für Schüler Der Rat beschloss, weitere 1919 iPads für bedürftige Schüler anzuschaffen. 959.000 Euro wird die Stadt dafür ausgeben. Damit wären jene rund 5000 Kinder, bei denen die Stadt im Sommer mit einer Umfrage an
Schulen Handlungsbedarf ermittelt hatte, versorgt. Die ersten 3100 Geräte waren im vergangenen Jahr gekauft worden. Anders als damals trägt die Stadt die Kosten aber diesmal alleine. Ein Antrag der CDU, alle 16.000 Schüler in Remscheid aus Gründen der Gleichbehandlung mit neuen Rechnern für den digitalen Unterricht auszurüsten, fand keine Zustimmung Er hätte Mehrausgaben von mehr als 5 Millionen Euro bedeutet. „Der Antrag passt nicht in den Haushalt, aber er passt in diese Zeit“, sagte Alexander Schmidt.
Notfallfonds Kultur Einstimmig beschloss der Rat, auch in diesem Jahr einen Notfallfonds Kultur einzurichten, aus dem freischaffende Künstler, Initiativen, Projekte und auch Brauchtumseinrichtungen, die durch die Pandemie in Probleme geraten sind, unterstützt werden sollen. Gespeist wird er aus nicht ausgegebenen Geldern etwa für Gastspiele im nach wie vor geschlossenen Teo Otto Theater.
Gutscheinaktion Keine Mehrheit fand der Vorschlag der CDU, über einen von der Stadt mit 25 Prozent
subventionierten Gutschein die heimische Gastronomie und den Einzelhandel zu unterstützen. 125.000 Euro wollten die Christdemokraten dafür investieren.
Personalstärke der Verwaltung Es wird kein neues Stellenabbaupaket in der Verwaltung geben. Der Rat beschloss den Antrag der Ampel-Mehrheit, Mitarbeiter im Rathaus, deren Aufgaben etwa durch die Digitalisierung wegfallen, mit anderen Aufgaben zu betrauen. Die Forderung der Wählergemeinschaft, eine Obergrenze für den Personalbestand
festzulegen, lehnte die Mehrheit ab. „Wir werden diesen Deckel nicht beschließen“, sagte David Schichel. Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz begrüßte die Entscheidung, sie mache „Verschiebungen“möglich.
Radwege Um 100.000 Euro erhöht und damit verdoppelt wird der Investitionstopf für Projekte aus dem Radverkehrskonzept. Thorsten Pohl (Pro Remscheid) sprach von einem „Orchideen-Thema“. Remscheid sei keine Radfahrer-Stadt.
Rats-TV Nach kontroverser Diskussion wurde der Antrag der Wählergruppe echt.Remscheid, Bildaufzeichnungen von Ratssitzungen ins Netz zu stellen, ebenso klar abgelehnt wie ein gleichlautender Antrag von Pro Remscheid. Die Mehrheit des Rates will die Ehrenamts-Politiker unter anderem vor Beleidigungen schützen.
Besonderheit Wegen der erwarteten Sitzungsdauer, steigender Inzidenz-Werte und den Virus-Mutationen bot die Stadt vor der Sitzung auf freiwilliger Basis Schnelltests an. Drei Mitarbeiter des Gesundheitsamtes führten sie durch.