Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Tanztheater-Doppelspitze verlängert
Bettina Wagner-Bergelt und Roger Christmann bleiben bis Mitte 2022. Mehr als 30 internationale Bewerbungen gingen ein. Die Führung des Theaters muss den Spagat zwischen Pina Bauschs Werk und Neuem schaffen.
Das komplexe Projekt „Nachfolge in der Intendanz des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch“geht wegen der Corona-Pandemie in die Verlängerung. Mit der Folge, dass Bettina Wagner-Bergelt erstmal künstlerische Leiterin bleibt. Ihr zur Seite steht: Roger Christmann als Geschäftsführer, der ebenfalls seinen Vertrag verlängert. Befristung diesmal bis zum Spielzeitende 2021/22. So der Vorschlag des Aufsichtsrates der Tanztheater Wuppertal Pina Bausch GmbH, dem der Finanzausschuss jetzt einstimmig folgte.
Als die Tanzmanagerin und der Betriebswirt und Finanzwissenschaftler Ende 2018 die Leitung gleichberechtigt übernahmen, wurde ihr Engagement bis zum Sommer 2021 befristet. Zu ihren Aufgaben gehörte die Konsolidierung des Theaters, dessen ehemalige Intendantin Adolphe Binder damals vor Gericht gegen ihre Kündigung klagte, der Aufbau neuer Strukturen und die Mitarbeit an ihrer eigenen Nachfolge. Zu Beginn des vergangenen Jahres startete die Suche nach einer neuen „künstlerischen Geschäftsführung“, die eine „künstlerische Persönlichkeit mit mehrjähriger erfolgreicher Leitungserfahrung in einer vergleichbaren internationalen Institution des Tanzes“sein sollte, „die die besondere Geschichte des Ensembles respektiert und das Erbe Pina Bauschs auf innovative Weise in die Zukunft führt und neue choreographische Akzente setzt“.
Explizit angesprochen fühlen durften sich Choreographen und Kuratoren. Gut 30 internationale Bewerber waren bereit für ein vierstufiges Verfahren mit acht Verantwortungsbereichen, in denen sie sich als Entscheider, künstlerischer Entscheidungsfinder, Choreograph, Beschützer des öffentlichen Bildes, künstlerischer Qualitätsmanager, Bindeglied zur Pina Bausch Foundation, Visionär und Mentor beweisen sollten. Ein ungewöhnlich großer Personenkreis wirkt an der Auswahl mit: die etwa 60-köpfige Mitarbeiterschaft (Tänzer, Verwaltung, Technik), der Aufsichtsrat des Tanztheaters, Vertreter von Stadt, Land und Foundation. Ziel: Eine von all diesen Beteiligten getragene Entscheidung, die Streitigkeiten wie die mit Binder ausschließen soll.
Die Kommunalwahl, vor allem aber die Corona-Krise sorgten dafür, dass die Entscheidungsfindung länger andauert, Gespräche nicht wie gewünscht zu Ende gebracht werden konnten. Die digitale Kommunikation scheint besonders in der Tanzkunst kein Ersatz – sie unterbindet das Live-Erlebnis, das besonders bei wichtigen und sensiblen Personalentscheidungen nötig ist, und erschwert Entscheidungsfindungen.
Zudem ist der Prozess in Wuppertal einzigartig, weil er besonders demokratisch und damit aufwendig verlaufen soll und weil es um den Umgang mit einem ganz besonderen tänzerischen Erbe geht. Pina Bauschs Werk sei in kollektiver Arbeit
entstanden, enthalte Persönliches, erklärt Bettina Wagner-Bergelt, „die Tänzer wussten, dass sie bei Pina gut aufgehoben sind“. Was ein feinfühliges Vorgehen bedingt. Ein einfaches „Weiter so“wolle man nicht, so Wagner-Bergelt. Es gehe nicht darum, die Stücke nur wieder auf die Bühne zu bringen. Die Führung des Theaters müsse den Spagat zwischen Werk und Neuem schaffen.
Den sie nun weiter selbst ausführt. Sie habe immer gesagt, weiterzumachen, „wenn dies die Situation erfordert“, erklärt sie. Sie freut sich, dass man sich einstimmig hinter sie stelle und sie nun die Möglichkeit
erhalte, Projekte in Ruhe zu verfolgen (und hoffentlich vor Publikum präsentieren zu können), die durch Corona verschoben werden mussten. Etwa die beiden neuen Choreografien, die derzeit mit dem US-amerikanischen Gast Richard Siegal und dem Ensemblemitglied Rainer Behr entstehen. Auch Roger Christmann denkt, die coronabedingten Absagen im Rücken, gerne an künstlerische Themen, die er mit dem Tanztheater zu erleben hofft, im vergangenen Jahr habe es so viele Verschiebungen gegeben.
Die eingegangenen Bewerbungen sind nicht vom Tisch. Sie sollen gemeinsam mit dem Ensemble durchgeschaut werden, so Wagner-Bergelt, damit am Ende (und im Sommer 2022) „das Tanztheater in gute, innovative und aufbruchsmutige Hände wie die von Pina Bausch übergeben“werden kann.