Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Was Greensill-Kunden wissen sollten
Bevor Anleger der Bremer Bank Geld erhalten, muss durch die Finanzaufsicht erst der Entschädigungsfall festgestellt werden. Privatkunden und Unternehmen haben bessere Aussichten als Kommunen, ihre Einlagen wiederzusehen.
BREMEN Das Entsetzen kam bei vielen plötzlich. Die Greensill-Bank, ein Haus mit auf den ersten Blick attraktiven Zinskonditionen, durfte auf Anordnung der Finanzaufsicht Bafin kein Geld mehr auszahlen. Es kam zum Moratorium. Wir erklären, was das für die Kunden heißt.
Woher rühren die Probleme?
Die Greensill Bank ist ein Tochterunternehmen der britisch-australischen Gesellschaft Greensill Capital. Diese finanziert Unternehmenskäufe, vor allem die des indischen Stahlmagnaten Sanjeeev Gupta, mit den Einlagen ihrer Bremer Banktochter. Bei solchen Deals sind sogenannte Klumpenrisiken entstanden. Dabei droht ein Verlust, weil die Kredite zu fokussiert sind und deshalb die Risikofähigkeit eines Kreditinstituts überschritten wird.
Konnte man das kommen sehen?
Bereits 2020 hat die Finanzaufsicht (Bafin) eine Sonderprüfung eingeleitet. Aber da wurde eben nur geprüft und keine Konsequenzen gezogen. „Die Bafin und die Prüfer des Bankenverbandes haben viel zu spät gehandelt. Sie haben das Problem gesehen, aber die Anleger nicht geschützt. Die Finanzaufsicht muss sich viel stärker als Schutzeinrichtung für Anleger und Verbraucher verstehen“, sagt der frühere Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick, heute Vorstand der „Bürgerbewegung Finanzwende“für eine nachhaltige Finanzwirtschaft. Seine Einschätzung: „Es gibt massive Probleme in der Bankenaufsicht, die behoben werden müssen.“
Wie läuft das Verfahren?
Die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB) schreibt Kunden an, sobald der Entschädigungsfall offiziell festgestellt ist. Dafür ist wiederum die Bafin zuständig, und sie hat dafür ab dem Tag der Schließung sechs Wochen Zeit. Die EdB, die die Entschädigung in Zusammenarbeit mit dem Einlagensicherungsfonds der Privatbanken vornimmt, gibt den Kunden ein Formular an die Hand, mit dem die Verbraucher ihre Ansprüche anmelden können.
Was ist geschützt?
Die gesetzliche Einlagensicherung deckt Sicht-, Termin- und Spareinlagen bis zu 100.000 Euro pro Person ab. Darüber hinausgehende Kundeneinlagen werden über die freiwilligen Sicherungssysteme der privaten Banken abgesichert. Im Extremfall stehen dafür knapp 75 Millionen Euro zur Verfügung.
Wer ist als Kunde geschützt?
Privatpersonen und Unternehmen bekommen auf jeden Fall Geld zurück. Problematisch wird es laut Paragraf 6 des Einlagensicherungsge-setzes für Banken, Sparkassen und andere Finanzdienstleister, für Versicherer und Kapitalanlagegesellschaften. Und für die öffentliche Hand. Deshalb drohen unter anderem die Städte Monheim (38 Millionen Euro Investment) und Emmerich (sechs Millionen Euro ) Geld zu verlieren. Insgesamt könnte der Verlust der deutschen Kommunen bei etwa 50 Milliarde Euro liegen, berichtete die „Welt am Sonntag“unter Berufung auf Branchenkreise.
Was können die Kommunen noch erwarten?
Sollte nach der Muttergesellschaft Greensill Capital auch die Greensill-Bank Insolvenz anmelden müssen, bleibt den Gläubigern die Hoffnung darauf, wenigstens einen kleinen Teil ihres Geldes wiederzubekommen. Und: „Die Kämmerer könnten versuchen, von den Brokern Schadenersatz zu verlangen, die die Kommunen und Greensill zusammengebracht haben“, sagt Finanzexperte Schick.
Wie lange müssen Kunden auf ihr Geld warten?
Das hängt laut EdB davon ab, wie viele Kunden Einlagen zurückhaben wollen, und davon, wie schnell die EdB anhand der Kundenangaben und der Greensill-Daten die Anträge abarbeiten kann. Von persönlichen Nachfragen sei abzusehen, weil diese das Verfahren nicht beschleunigen könnten, lautete jüngst der Rat der Entschädigungseinrichtung. Ist der Entschädigungsfall festgestellt, hat die EdB 20 Tage Zeit, das Geld an die Kunden auszuzahlen. Bis zu zehn Tage mehr können es sein, wenn die Bafin einer Verlängerung zustimmt, beispielsweise weil der Arbeitsanfall zu groß ist. Es kann also noch dauern, bis das Geld dann tatsächlich auf dem Konto des jeweiligen Verbrauchers ankommt.
Wer muss am Ende zahlen?
„Kleinanleger werden nicht leiden. Sie bekommen ihr Geld zurück. Aber die Privatbanken werden drei Milliarden Euro aufbringen müssen“, sagt Schick. Für eine Branche, in der viele ohnehin Probleme haben, alles andere als eine Formsache.