Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler“
Die Kanzlerin bittet die Bevölkerung um Verzeihung und nimmt den Beschluss für Ruhetage vor Ostern zurück. Die Arbeitsweise der Ministerpräsidentenkonferenz soll reformiert werden.
DÜSSELDORF/BERLIN
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die mit den Ländern verabredete Ruhetagsregel über die Ostertage zurückgenommen und für die entstandene Verunsicherung um Entschuldigung gebeten. Merkel bezeichnete das Vorhaben am Mittwoch als persönlichen Fehler. Nur zwei Tage nach der Bund-Länder-Runde reagierte die Kanzlerin damit auf die heftige Kritik an den verschärften Corona-Maßnahmen zu Ostern und stoppte in einer eilends angesetzten Ministerpräsidentenkonferenz den Plan, Gründonnerstag und Karsamstag zu zusätzlichen Ruhetagen zu erklären. Vor allem die Wirtschaft hatte vor den Folgen für die Lieferketten und hohen Kosten durch anfallende Feiertagszuschläge gewarnt.
„Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler“, sagte die Bundeskanzlerin. Ein Fehler müsse als Fehler benannt werden. „Und vor allem muss er korrigiert werden. Und wenn möglich, hat das noch rechtzeitig zu geschehen.“Der gesamte Vorgang habe zusätzliche Verunsicherung ausgelöst. „Das bedauere ich zutiefst, und dafür bitte ich die Bürger um Verzeihung.“
Die Idee eines Oster-Shutdowns sei mit bester Absicht entworfen worden, sagte Merkel. „Dennoch war die Idee der Osterruhe ein Fehler“, sagte sie. Die sei in der Kürze der Zeit nicht umsetzbar und hätte viel zu viele Probleme erzeugt – etwa bei der Lohnfortzahlung bis hin zur Lage in den Geschäften und Betrieben. Merkel verwies darauf, dass der Beschluss der Länderchefs und der Bundesregierung auch ohne die Osterruhe den Rahmen biete, die dritte Welle zu bekämpfen, und nannte die Notbremse, die schärferen Hotspot-Regelungen sowie das Testen und die Impfkampagne. „Wir werden das Virus gemeinsam besiegen. Der Weg ist hart und steinig. Er ist von Erfolgen und Rückschlägen gekennzeichnet.“
Vertreter des Koalitionspartners SPD machten klar, dass sie eine Mitverantwortung für die Fehlentscheidung übernehmen. „Das war eine gemeinsame Entscheidung, da sollten jetzt auch alle dazu stehen“, sagte Vizekanzler Olaf Scholz. „Die Entscheidung der Bundeskanzlerin, den Oster-Lockdown abzusagen, verdient Respekt.“
Auch NRW-Ministerpräsident und CDU-Chef Armin Laschet, zollte Merkel im Landtag Respekt. Er selbst habe aber in der Ministerpräsidentenrunde mit der Kanzlerin am Mittwoch deutlich gemacht, dass alle Verantwortung trügen, nicht nur Merkel: „Wir alle haben dem zugestimmt.“Es sei deutlich geworden, dass die Folgen einer solchen Osterruhe zu gravierend wären, weil Lieferketten unterbrochen werden müssten. „Man kann nicht mal eben einen gesetzlichen Feiertag zehn Tage vorher einführen“, sagte Laschet und räumte ein: „Diese Ministerpräsidentenkonferenz hat die Menschen enttäuscht.“Dennoch tue es der politischen Kultur im Land gut, dass der Fehler nun rückgängig gemacht werde.
Die plötzliche Kehrtwende wirft auch die grundsätzliche Frage nach der Arbeitsweise der Ministerpräsidentenkonferenz auf, die zuletzt in einer Marathonsitzung mit einer mehrstündigen Unterbrechung bis tief in die Nacht hinein getagt hatte. „Die Frage, wie man bestimmte Entscheidungen in einer so außergewöhnlichen Situation trifft, muss immer wieder neu betrachtet werden“, sagte Merkel. „Ich glaube, es gibt schon sehr viele sehr, sehr gute und gemeinsam getragene Entscheidungen mit den Ministerpräsidenten.“Man habe aber in der Runde am Mittwoch auch verabredet, dass man über die Verbesserung der Arbeitsweise noch einmal miteinander reden werde.
Persönliche Konsequenzen lehnte die Kanzlerin im Bundestag ab. Auf die Frage des Linken-Politikers Dietmar Bartsch, ob sie sich noch des Rückhalts in den regierungstragenden Fraktionen sicher sei, antwortete Merkel knapp mit „Ja“. Am Abend bekräftigte die Kanzlerin dies: In einem ARD-„Brennpunkt“wies sie die Forderung der Opposition zurück, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. „Das ist nicht nötig. Das werde ich nicht tun“, so Merkel.
Wirtschaftsvertreter zeigten sich erleichtert. Der Präsident von Unternehmer NRW, Arndt Kirchhoff, nannte die Entscheidung „uneingeschränkt richtig“. DGB-NRW-Chefin Anja Weber übte dagegen scharfe Kritik: „So kann man mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht umgehen“, sagte sie.