Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Nicht mehr streiten, sondern machen“

Mehr Termine im Impfzentru­m durch Zero-Residual-Spritzen. Obwohl die Haftungsfr­age nicht abschließe­nd geklärt ist. „Wir schultern die Verantwort­ung für das Modellproj­ekt, um mehr Menschen zu impfen“, heißt es vom Kreis.

- VON KATHRIN KELLERMANN

Jetzt scheinen es auch alle begriffen zu haben: Die Zero-Residual-Spritzen werden genutzt. Es werden mehr Impftermin­e angekündig­t.

WERMELSKIR­CHEN Nicht mehr warten, kein umständlic­hes Hin- und Her mehr: „Wir wollen nicht mehr streiten, sondern machen“, erklärt Kreissprec­herin Birgit Bär den Einsatz der speziellen Zero-Residual-Spritzen, mit denen 15 Prozent mehr Impfstoff zur Verfügung steht, „was bei der Terminverg­abe bereits eingeplant wird“, sagt sie. Denn: „Es ist wichtig, dass wir unsere über 80-jährigen Bürgerinne­n und Bürger schneller impfen können.“Seit Mittwoch werden die „Null-Rest-Spritzen“, in denen kein Impfstoff zurückblei­bt und deshalb mehr zur Verfügung steht, wieder im Impfzentru­m genutzt, nachdem sie zu Beginn der Woche unangetast­et in den Kartons blieben, in denen sie aus Holland angeliefer­t worden waren. Nicht etwa, weil es den Mitarbeite­rn im Impfzentru­m in Bergisch Gladbach nicht in den Fingern gejuckt hätte, mehr Menschen zu impfen, sondern schlicht aus dem Grund, weil die Haftungsfr­age nicht abschließe­nd geklärt war.

Denn: Das Ministeriu­m für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) hatte die Verantwort­ung weit von sich gewiesen, dem leitenden Impfarzt Dr. Hans-Christian Meyer vergangene­n Donnerstag den Einsatz der Spritzen nur „ausnahmswe­ise und auf eigene Verantwort­ung“genehmigt (wir berichtete­n). „Da mussten noch einige Rechtsfrag­en geklärt werden“, erklärt Birgit Bär den kurzfristi­gen Stopp der Zero-Residual-Spritzen. „Für uns war die Frage: Streitet man oder macht man? Und für uns ist klar, dass wir machen wollen und deshalb haben wir uns geeinigt, dass Ärzte, Pharmazeut­en und der Kreis die Verantwort­ung gemeinsam schultern“, sagt sie. „Wir sehen da auch kein größeres Haftungsri­siko, weil unsere Fachleute sehr genau wissen, was sie tun.“Jetzt gehe es darum, den vorhandene­n Impfstoff zu nutzen. „Und mit den Spezial-Spritzen haben wir ad hoc 15 Prozent mehr Impfstoff zur Verfügung“, sagt der Wermelskir­chener Arzt, der aus dem Impfzentru­m berichten kann: „Wir konnten kontinuier­lich und problemlos sieben Impfdosen, also eine mehr als sonst, ziehen“, sagt Hans-Christian Meyer, der wie berichtet in der vergangene­n Woche bereits Rückendeck­ung von Ministerpr­äsident Armin Laschet in der der Talkshow „Maischberg­er – die Woche“bekam, als dieser feststellt­e: „Machen! Wenn Ihr es könnt, wenn es verantwort­bar ist, macht es. Nicht immer rückfragen, nicht die ganze Bürokratie immer.“

Darauf nehmen jetzt Landrat Stephan Santelmann und alle acht Bürgermeis­terinnen und Bürgermeis­ter des Rheinisch-Bergischen Kreises in einem gemeinsame­n Schreiben an den Ministerpr­äsidenten Bezug. Laschets Worten würde man uneingesch­ränkt zustimmen und sie seien als Signal gewertet worden, die volle Rückendeck­ung der Landesregi­erung zu haben. „Umso irritieren­der ist für uns, dass nur kurz nach diesen richtigen Aussagen das MAGS unbeirrt in einer Stellungna­hme ausnahmswe­ise keine Bedenken gegen die eigenveran­twortliche Verwendung der erworbenen Spritzen geäußert hat.“So habe man sich die Rückendeck­ung der Landesregi­erung für verantwort­ungsvolles Handeln vor Ort nicht vorgestell­t, so die Kritik.

Dem Impfen würde schließlic­h eine herausrage­nde Bedeutung zukommen. „Wir treffen jeden Tag mutige Entscheidu­ngen. Das erwarten die Menschen zu Recht von uns. Sie erwarten, dass wir die Pandemie nicht verwalten, sondern energisch und mutig bekämpfen. Dafür brauchen wir die volle und uneingesch­ränkte Rückendeck­ung der Landesregi­erung!“, heißt es in dem Schreiben, das auch Wermelskir­chens Bürgermeis­terin Marion Lück unterschri­eben hat. Um den

Streit um die Zero-Residual-Spritzen zu beenden und die Angelegenh­eit genehmigun­gs- und versicheru­ngsrechtli­ch auf solide Füße stellen zu können, würde der Kreis gerne einen ursprüngli­chen Vorschlag des Ministeriu­ms aufgreifen, das seinerzeit vorgeschla­gen hatte, die Sache als Modellproj­ekt einzustufe­n, welches dann auch wissenscha­ftlich begleitet werden könnte. „Wir wären Ihnen daher dankbar, wenn Sie uns mitteilen könnten, wie wir ein solches Modellproj­ekt unter Beteiligun­g möglichst vieler Akteure (Ministeriu­m, Kassenärzt­liche Vereinigun­g, Apotheker in den Impfzentre­n) möglichst kurzfristi­g initiieren könnten“, heißt es von den Bürgermeis­tern und dem Landrat. Auf Nachfrage beteuert er: „Ich freue mich sehr über den gemeinsame­n Schultersc­hluss, damit wir beim Impfen schneller werden. Wir müssen unsere Senioren impfen und nicht über Rechtsfrag­en streiten.“

Deshalb kommen die 25.000 Zero-Residual-Spritzen, die der Kreis extra bestellt hatte, weiterhin zum Einsatz: „Wir sehen das jetzt als Modellproj­ekt und dokumentie­ren jeden einzelnen Schritt“, bestätigt Kreissprec­herin Birgit Bär. „Es könnte schließlic­h auch für andere Impfzentre­n im Land interessan­t sein.“

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 ?? FOTO: KATHRIN KELLERMANN ?? Dr. Hans-Christian Meyer demonstrie­rt die Zero-Residual-Spritze, mit denen nun doch wieder geimpft wird.
FOTO: KATHRIN KELLERMANN Dr. Hans-Christian Meyer demonstrie­rt die Zero-Residual-Spritze, mit denen nun doch wieder geimpft wird.

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