Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Nicht mehr streiten, sondern machen“
Mehr Termine im Impfzentrum durch Zero-Residual-Spritzen. Obwohl die Haftungsfrage nicht abschließend geklärt ist. „Wir schultern die Verantwortung für das Modellprojekt, um mehr Menschen zu impfen“, heißt es vom Kreis.
Jetzt scheinen es auch alle begriffen zu haben: Die Zero-Residual-Spritzen werden genutzt. Es werden mehr Impftermine angekündigt.
WERMELSKIRCHEN Nicht mehr warten, kein umständliches Hin- und Her mehr: „Wir wollen nicht mehr streiten, sondern machen“, erklärt Kreissprecherin Birgit Bär den Einsatz der speziellen Zero-Residual-Spritzen, mit denen 15 Prozent mehr Impfstoff zur Verfügung steht, „was bei der Terminvergabe bereits eingeplant wird“, sagt sie. Denn: „Es ist wichtig, dass wir unsere über 80-jährigen Bürgerinnen und Bürger schneller impfen können.“Seit Mittwoch werden die „Null-Rest-Spritzen“, in denen kein Impfstoff zurückbleibt und deshalb mehr zur Verfügung steht, wieder im Impfzentrum genutzt, nachdem sie zu Beginn der Woche unangetastet in den Kartons blieben, in denen sie aus Holland angeliefert worden waren. Nicht etwa, weil es den Mitarbeitern im Impfzentrum in Bergisch Gladbach nicht in den Fingern gejuckt hätte, mehr Menschen zu impfen, sondern schlicht aus dem Grund, weil die Haftungsfrage nicht abschließend geklärt war.
Denn: Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) hatte die Verantwortung weit von sich gewiesen, dem leitenden Impfarzt Dr. Hans-Christian Meyer vergangenen Donnerstag den Einsatz der Spritzen nur „ausnahmsweise und auf eigene Verantwortung“genehmigt (wir berichteten). „Da mussten noch einige Rechtsfragen geklärt werden“, erklärt Birgit Bär den kurzfristigen Stopp der Zero-Residual-Spritzen. „Für uns war die Frage: Streitet man oder macht man? Und für uns ist klar, dass wir machen wollen und deshalb haben wir uns geeinigt, dass Ärzte, Pharmazeuten und der Kreis die Verantwortung gemeinsam schultern“, sagt sie. „Wir sehen da auch kein größeres Haftungsrisiko, weil unsere Fachleute sehr genau wissen, was sie tun.“Jetzt gehe es darum, den vorhandenen Impfstoff zu nutzen. „Und mit den Spezial-Spritzen haben wir ad hoc 15 Prozent mehr Impfstoff zur Verfügung“, sagt der Wermelskirchener Arzt, der aus dem Impfzentrum berichten kann: „Wir konnten kontinuierlich und problemlos sieben Impfdosen, also eine mehr als sonst, ziehen“, sagt Hans-Christian Meyer, der wie berichtet in der vergangenen Woche bereits Rückendeckung von Ministerpräsident Armin Laschet in der der Talkshow „Maischberger – die Woche“bekam, als dieser feststellte: „Machen! Wenn Ihr es könnt, wenn es verantwortbar ist, macht es. Nicht immer rückfragen, nicht die ganze Bürokratie immer.“
Darauf nehmen jetzt Landrat Stephan Santelmann und alle acht Bürgermeisterinnen und Bürgermeister des Rheinisch-Bergischen Kreises in einem gemeinsamen Schreiben an den Ministerpräsidenten Bezug. Laschets Worten würde man uneingeschränkt zustimmen und sie seien als Signal gewertet worden, die volle Rückendeckung der Landesregierung zu haben. „Umso irritierender ist für uns, dass nur kurz nach diesen richtigen Aussagen das MAGS unbeirrt in einer Stellungnahme ausnahmsweise keine Bedenken gegen die eigenverantwortliche Verwendung der erworbenen Spritzen geäußert hat.“So habe man sich die Rückendeckung der Landesregierung für verantwortungsvolles Handeln vor Ort nicht vorgestellt, so die Kritik.
Dem Impfen würde schließlich eine herausragende Bedeutung zukommen. „Wir treffen jeden Tag mutige Entscheidungen. Das erwarten die Menschen zu Recht von uns. Sie erwarten, dass wir die Pandemie nicht verwalten, sondern energisch und mutig bekämpfen. Dafür brauchen wir die volle und uneingeschränkte Rückendeckung der Landesregierung!“, heißt es in dem Schreiben, das auch Wermelskirchens Bürgermeisterin Marion Lück unterschrieben hat. Um den
Streit um die Zero-Residual-Spritzen zu beenden und die Angelegenheit genehmigungs- und versicherungsrechtlich auf solide Füße stellen zu können, würde der Kreis gerne einen ursprünglichen Vorschlag des Ministeriums aufgreifen, das seinerzeit vorgeschlagen hatte, die Sache als Modellprojekt einzustufen, welches dann auch wissenschaftlich begleitet werden könnte. „Wir wären Ihnen daher dankbar, wenn Sie uns mitteilen könnten, wie wir ein solches Modellprojekt unter Beteiligung möglichst vieler Akteure (Ministerium, Kassenärztliche Vereinigung, Apotheker in den Impfzentren) möglichst kurzfristig initiieren könnten“, heißt es von den Bürgermeistern und dem Landrat. Auf Nachfrage beteuert er: „Ich freue mich sehr über den gemeinsamen Schulterschluss, damit wir beim Impfen schneller werden. Wir müssen unsere Senioren impfen und nicht über Rechtsfragen streiten.“
Deshalb kommen die 25.000 Zero-Residual-Spritzen, die der Kreis extra bestellt hatte, weiterhin zum Einsatz: „Wir sehen das jetzt als Modellprojekt und dokumentieren jeden einzelnen Schritt“, bestätigt Kreissprecherin Birgit Bär. „Es könnte schließlich auch für andere Impfzentren im Land interessant sein.“