Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
In der Impfkrise zeigt sich der Charakter
In Essen soll ein Arzt heimlich Verwandte geimpft haben. Der Chef des Duisburger Hafens drängelte sich offenbar ebenfalls vor. In der Krise zeigt sich der wahre Charakter eines Menschen. Für die Betroffenen wird das Konsequenzen haben – standesrechtliche für die Ärzte und mindestens Ansehensverlust für die Vordrängler, wenn sie Alten, Kranken oder Betreuern Impfstoff weggenommen haben. Nicht umsonst hat der Staat mit großen Aufwand eine Priorisierung erstellt, um den Mangel an Impfstoff wenigstens fair zu verwalten.
Der Kampf um das knappe Gut ist auch international voll entbrannt. Von einem gemeinsamen Kampf Europas gegen die Pandemie kann kaum mehr die Rede sein. Großbritannien war passend zum EU-Austritt ausgeschert und hat mit seinem frühzeitigen Eindecken auch noch Erfolg. Das bürokratische Zaudern der EU führte zu den Lieferproblemen. Und das Nebeneinander von EU- und nationaler Bestellung hat jetzt noch große Unterschiede zur Folge. Mehrere Länder, in denen das Impfen noch schlechter läuft als bei uns, fordern nun Nachschlag. Sie hatten besonders viel Astrazeneca geordert und sind besonders von den Lieferproblemen des Herstellers betroffen. In Österreich liegen die Dinge anders, doch auch die Alpenrepublik springt nun auf den Zug der Kritiker auf. Zwei-Klassen-Europa, wettert Sebastian Kurz – damit bekommt die EU-Kommission Schelte, die sie ausnahmsweise nicht verdient hat. In der Krise zeigt sich der wahre Charakter, das gilt auch für Politiker.
Umso besser, dass NRW-Gesundheitsminister Laumann nun im Kleinen zeigt, dass der Staat lernfähig ist, und die Terminvergabe der über 70-Jährigen besser organisiert. Das Chaos, das die über 80-Jährigen erleben mussten und das der Ministerpräsident noch abgestritten hat, darf sich nicht wiederholen. BERICHT ÜBER 70-JÄHRIGE WERDEN GEIMPFT, TITELSEITE