Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Test: Hälfte der Verhütungsmittel ungeeignet
Stiftung Warentest hat bei vielen Präparaten Verträglichkeitsprobleme festgestellt – besonders bei der Pille.
BERLIN Seit die Antibabypille vor mehr als 60 Jahren auf den Markt gekommen ist, ist sie das am meisten genutzte Verhütungsmittel in Deutschland. Doch die Beliebtheit der Pille ist auf dem absteigenden Ast; immer mehr Frauen stehen hormonellen Verhütungsmethoden kritisch gegenüber. Grund ist ein erhöhtes Thromboserisiko, das zuletzt auch im Vergleich mit dem Risiko des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca im Fokus stand und von Medizinern als ungleich höher bewertet wurde.
Das Problem mit der Pille In dieselbe Kerbe schlägt nun ein Bericht der Stiftung Warentest. 141 Mittel zur Empfängnisverhütung wurden untersucht, darunter mehr als 100 Antibabypillen. Geeignet sind den Testern zufolge nicht einmal die Hälfte aller Präparate. Der Grund: Bei fast allen hormonellen Verhütungsmitteln besteht ein erhöhtes Thromboserisiko für die Frau. Wenn man sich trotzdem für die Pille entscheidet, so raten die Experten zu einem Produkt mit möglichst niedrigem Östrogengehalt und den Gestagenen Levonorgestel, Norethisteron oder Norgestimat.
Bei diesen sogenannten Mini-Pillen sei das Risiko für eine Thrombose geringer als bei Antibabypillen mit anderen Gestagenen, erläutern die Tester. Allerdings brauchen Frauen bei dieser Art von Pille Disziplin: Die Einnahmen dürfen niemals länger als 27 Stunden auseinanderliegen, um einen stabilen Schutz zu gewährleisten. Einige Frauen berichten unter der Einnahme zudem von depressiven Verstimmungen.
Spiralen sind besser geeignet Neben mehr als 100 Pillen-Produkten hat die Stiftung Warentest auch mehrere Intrauterinpessare (kurz: IUP, umgangssprachlich: Spirale) untersucht. Das Ergebnis: Sie sind deutlich besser zur Verhütung geeignet. Es gibt sie mit Hormon oder Kupfer. Das Thromboserisiko erhöhen sie nicht, da sie direkt in die Gebärmutter eingesetzt werden und nicht in den Hormonhaushalt des Körpers eingreifen. Sie wirken bis zu fünf Jahre und werden vor allem Frauen empfohlen, die schon ein Kind geboren haben. Einzige Nebenwirkung: Die monatliche Blutung kann sich unter Verwendung einer Spirale verstärken. Preislich sind Spiralen zudem deutlich günstiger: Hormonspiralen kosten zwischen 130 und 210 Euro, Kupferspiralen
gibt es bereits ab 21 Euro rezeptpflichtig in der Apotheke. Allerdings berechnen die meisten Gynäkologen zusätzlich eine Gebühr für das Einsetzen und die Lagekontrolle der Spirale.
Spritze, Implantat, Pflaster und Ring Neben Pillen und Spiralen wurden noch weitere Verhütungsmethoden auf ihre Verträglichkeit hin untersucht. Die Dreimonatsspritze empfehlen die Arzneimittelexperten grundsätzlich nicht als Standardmittel zur Empfängnisverhütung, da sie eine Reihe schwerer Nebenwirkungen provoziert. So verringert sie beispielsweise die Knochendichte. Bei Kinderwunsch kann es nach Absetzen der Spritze bis zu zweieinhalb Jahre dauern, bis eine Frau wieder schwanger werden kann. Wenig geeignet sind demnach auch Implantat, Ring und Pflaster. Das Implantat lässt sich laut Experten nicht immer gut entfernen, kann sogar weite Strecken im Körper wandern und ist dann nicht mehr leicht aufzuspüren. Ring und Pflaster wirkten wie die Pille – es gebe aber Hinweise, dass das Thromboserisiko hier sogar noch höher ist als bei geeigneten Antibabypillen.
Die Wahl besprechen Die Entscheidung für eine Verhütungsmethode ist stark von der Lebenssituation einer Frau abhängig. Die Tester raten daher dringen dazu, die Vor- und Nachteile der Produkte mit ihrem Gynäkologen zu besprechen. Wer trotz der Nebenwirkungen die Pille nehmen möchte, sollte sich – siehe oben – ein Präparat mit möglichst niedrigem Östrogen-Gehalt verschreiben lassen.
Pille immer unbeliebter Dass bereits in den vergangenen zehn Jahren besonders junge Frauen immer seltener zur Pille griffen, wurde 2019 in einer wissenschaftlichen Studie der AOK festgestellt. Demnach haben sich 31 Prozent der gesetzlich versicherten Frauen bis 22 im Jahr 2019 die Pille verschreiben lassen. 2010 waren es noch 46 Prozent. „Das kann mit einem stärkeren Bewusstsein dafür zu tun haben, dass die Pille kein Lifestyle-Präparat ist, sondern in den Hormonhaushalt eingreift und auch Nebenwirkungen haben kann“, sagte Eike Eymers, Ärztin im Stab Medizin des AOK-Bundesverbandes, dessen wissenschaftliches Institut die Untersuchung dazu in Auftrag gegeben hatte. Die nun veröffentlichten Bewertungen der Stiftung Warentest unterstreichen diese Einschätzung deutlich.