Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Den Münchnern bleibt nur der Trotz
Die Niederlage gegen Paris war zwar unglücklich, aber sie deckte auch Schwächen auf. Der FC Bayern macht sich mit alten Sprüchen Mut. Anführer der „Mia san mia“-Fraktion ist Oliver Kahn.
Mit Niederlagen kennt sich Hansi Flick noch nicht so richtig aus – jedenfalls, seit er Trainer von Bayern München ist. In der Champions League schon gar nicht. Da gab es am Mittwoch im Viertelfinal-Hinspiel gegen Paris Saint-Germain die erste Niederlage für den Coach. Selbst kritische Geister müssen zwar zugestehen, dass dieses 2:3 nicht gerade dem tatsächlichen Spielverlauf und den vielen Torchancen für die Gastgeber entsprach. Aber sie werden im Ergebnis Gelegenheit finden, auf verdrängte Schwächen des Titelverteidigers hinzuweisen.
Die Konkurrenz freut es, dass Flicks Team ausgerechnet in einer Situation, in der es wirklich darauf ankommt, weder effektiv vor dem gegnerischen noch vor dem eigenen Tor gearbeitet hat – wie man das eigentlich erwartet. Die Bayern, das machte vor allem der
Pariser Weltstar Kylian Mbappé deutlich, sind doch nicht die unsterblichen, unschlagbaren Fußballgötter, als die sie seit Beginn ihres unaufhaltsamen Siegeszugs unter Flicks Leitung im vergangenen Jahr galten.
Neu ist im Vergleich zur zurückliegenden Saison vor allem die Gegentorquote. Die Angriffsmaschine der Münchner ist längst nicht mehr so gut abgesichert wie in der Triple-Saison. Sogar in der Bundesliga, die von den Bayern immer noch fast lässig beherrscht wird, hat sich der Meister bereits 35 Gegentreffer eingefangen.
In der Champions League fielen die Abwehrschwächen noch nicht so ins Gewicht. Bis eben Paris kam. Das ist dann doch eine andere Kragenweite als Lazio Rom im Achtelfinale oder Lokomotive Moskau in der Gruppe.
Auch dort erschreckten die Gegentore bislang nur ganz bange Geister. Die anderen lehnten sich zurück und sagten nur ein Wort: Lewandowski. Der polnische Torautomat glich, wenn nötig im Alleingang, die meisten Versäumnisse
im Abwehrspiel aus. Er ist, wie die Fußballsprecher heute so gern sagen, „brutal effektiv“. In dieser Hinsicht gibt es sogar Steigerungspotenzial. Mbappés Vorstellung in München fanden einige Wortakrobaten „brutalst effektiv“. Wie jeder weiß, konnte Lewandowski das nicht steigern – weder in Wortbeiträgen noch auf dem Platz. Der Wunderstürmer fehlt und mit ihm das, was sein Kollege Thomas Müller bedauernd „den Killerinstinkt“nennt. Auch im Rückspiel kann der Torjäger wegen seiner Knieverletzung nicht mitwirken.
Das wirft die Bayern auf dem inzwischen ziemlich steinigen Weg zur Titelverteidigung auf andere Qualitäten zurück – das vielzitierte „Mia san mia“zum Beispiel. Oliver Kahn, der in einem Jahr den Vorstandsvorsitz der Münchner Fußballfirma übernehmen wird, übersetzte das so: „Wir sind Bayern.“Im Moment klingt das trotzig – „brutalst trotzig“.