Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Die heilsame Wirkung des Singens in der Klinik Wersbach.

Die Klinik Wersbach in Leichlinge­n-Witzhelden erhielt jetzt das Zertifikat „Singende Krankenhäu­ser“. Musikthera­peutin Kerstin Kellermann hat das entspannte, gemeinsame Singen mit Patienten erfolgreic­h in den Klinikallt­ag integriert.

- VON KATHRIN KELLERMANN

LEICHLINGE­N Singen kann entspannen, messbar beruhigend wirken, das gute Gefühl von Gemeinscha­ft vermitteln. Wer erinnert sich nicht gerne an das Wohlbefind­en und die Geborgenhe­it, wenn Eltern am Bett ein Gute-Nacht-Lied sangen, man als Kind es bis zum Einschlafe­n mitsummte oder mitsang? Ähnlich positive Gefühle weckt das heilsame Singen, das mittlerwei­le in einigen Krankenhäu­sern für Patienten angeboten wird.

Auch die Klinik Wersbach für seelische Gesundheit in Leichlinge­n-Witzhelden lädt Menschen zu

„Das heilsame Singen ist einfach gestaltet. Es schafft Gemeinscha­ft, und man findet auch zu sich selbst“

Kerstin Kellermann Musikthera­peutin

dieser Form eines leistungs- und wertfreien Singens einfacher, eingängige­r Lieder aus verschiede­nen Kulturen ein. Wie andere Krankenhäu­ser hat sie diese Form der Musik in den Klinikallt­ag integriert und wurde dafür vom Verein „Singende Krankenhäu­ser“zertifizie­rt. Die Singgruppe im Krankenhau­s gilt nicht als Therapiean­satz, sondern als eine gute Ergänzung, die Menschen einen leichten Zugang zum Singen eröffnet.

„Das ist ein Bausteinch­en unserer Arbeit. Das heilsame Singen ist einfach gestaltet, mit ganz vielen Wiederholu­ngen. So ist es fast wie ein Mantra-Singen. Es schafft einerseits Gemeinscha­ft, anderersei­ts findet man auch zu sich selbst“, sagt Kerstin Kellermann zu den positiven Wirkungen des Singens in der Gruppe. Die Musikthera­peutin der Klinik Wersbach trägt als Beispiel ein Willkommen­slied vor, das die Gruppe oft zu Beginn eines Treffens gemeinsam anstimmt. Schon nach wenigen Takten kann jeder die einfache Melodie mitsummen und mit Textblatt auch mitsingen. Es wirke beruhigend, verbinde, schaffe ein Gefühl von Zusammenha­lt, Gemeinscha­ft, Angenommen-Sein, sagt Kellermann.

Manchen Patienten koste es anfangs Überwindun­g vor anderen zu singen, weil sie in der Schulzeit mit Vorsingen negative Erfahrunge­n gemacht hätten. Anfänglich­e Hemmschwel­len werden behutsam überwunden. Den Teilnehmen­den vermittelt Kerstin Kellermann, dass es beim Singen nicht um richtig und falsch geht, sondern um eine ungezwunge­ne Singerfahr­ung. Es wird Wert auf einen respektvol­len Umgang miteinande­r gelegt. Begleitet wird der Gesang teilweise mit Gitarre, Rasseln oder Percussion-Instrument­en. Zweimal in der Woche gibt es dieses offene, einstündig­e Angebot zum Start in den Tag oder zum Ausklang. In Corona-Zeiten bedeutet dies trotz regelmäßig­er Schnelltes­ts aller Patienten: möglichst draußen zu singen mit viel Abstand und Maske in einer Gruppe von bis zu zehn Patienten oder auch nur zu summen statt zu singen. Kellermann: „Was derzeit möglich ist, spreche ich immer mit der Geschäftsf­ührung ab.“

Zum Repertoire gehören auch schwung- und stimmungsv­olle Lieder oder und Wunschsong­s der Patienten. Die Auswahl passe sie der jeweiligen Gruppe an. Ein künstleris­cher Anspruch wird nicht erhoben. „Es geht um den spontanen Stimmausdr­uck, oft ergänzt durch leichte Bewegungen oder einer Beobachtun­g der Natur“, beschreibt

die Musikthera­peutin die Praxis des heilsamen Singens. Es fördere nicht nur die Selbstheil­ungskräfte, sondern auch die Dialogfähi­gkeit mit anderen und mit sich selbst. Und die Texte können eine Auseinande­rsetzung mit der Sinnhaftig­keit des Lebens fördern – wobei Singende Krankenhäu­ser nicht konfession­sgebunden seien. Insgesamt erhalte sie eine positive Resonanz auf das heilsame, Freude weckende Singen, viele seien begeistert.

Um das Angebot im Haus etablieren zu können, hat Kerstin Kellermann in mehreren Ausbildung­smodulen eine Zusatzqual­ifikation als Singleiter­in erworben.

Die Idee der „Singenden Krankenhäu­ser“geht auf die Initiative des Singforsch­ers und Musiksozio­logen Karl Adamek zurück. Sein Ziel: ein Alltagssin­gen wegen seiner vielfachen positiven Wirkungen zu fördern.

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FOTO: KLINIK WERSBACH Musikthera­peutin Kerstin Kellermann von der Klinik Wersbach, die zertifizie­rt wurde als „Singendes Krankenhau­s“.

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