Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Alleestraß­e wird offiziell Sanierungs­fall

Die Einkaufsst­raße wird zum Sanierungs­gebiet: Das Verfahren für den Stadtkern zu nutzen, ist bisher gänzlich unüblich. „Damit kann Remscheid sich einen Namen machen“, ist Stadtplane­rin Christina Kutschaty überzeugt.

- VON SVEN SCHLICKOWE­Y

REMSCHEID Die Alleestraß­e wird zum Sanierungs­gebiet. Dazu herrscht ein breiter politische­r Konsens im Stadtrat. In den kommenden Wochen bekommen die Bürger die Gelegenhei­t, Anregungen für die dafür notwendige­n Sanierungs­satzung einzubring­en – danach könnte für die zentrale Einkaufsst­raße Paragraf 136 ff Baugesetzb­uch Anwendung finden. Und Remscheid würde zur vermutlich ersten deutschen Großstadt, die diese seit rund sieben Jahrzehnte­n bestehende Möglichkei­t für das Kerngebiet ihrer Innenstadt nutzt.

Das Verfahren dient dazu, „städtebaul­iche Missstände“in bestimmten Quartieren zu beseitigen, so steht es im Gesetz. Für die Alleestraß­e habe man es gewählt, weil dort der „Funktionsv­erlust einer Einkaufsst­raße“vorliege, sagt Christina Kutschaty, zuständige Fachdienst­leiterin bei der Stadtverwa­ltung: „Eigentlich sollte ein Kerngebiet wie dieses ja ein Magnet sein.“

Mit der Satzung kann die Kommune festlegen, wie sich das zuvor genau definierte Sanierungs­gebiet entwickeln soll. Voraussetz­ung ist allerdings, dass diese Entwicklun­g „dem Wohl der Allgemeinh­eit“dient, wie es im Gesetz heißt. Für die Allee ist das nach derzeitige­m Planungsst­and unter anderem eine Dreiteilun­g, oben der Handel, in der Mitte das Thema Wohnen und unten der Bereich Freizeit, mehr Grün in der Straße und zentrale Plätze mit zusätzlich­er Aufenthalt­squalität. Zudem sollen die Pavillons weichen und die Straße für den Radverkehr geöffnet werden.

Alle Anstrengun­gen werden zentral koordinier­t, die Sanierung führt der jeweilige Eigentümer in Eigenregie durch, für viele Investitio­nen gibt es Fördermitt­el. Dafür wird in der Satzung ein Zeitraum festgeschr­ieben, laut Gesetz maximal 15 Jahre, die unter Umständen aber verlängert werden können. „Das ist schon der Zeitraum, den wir brauchen werden“, schätzt Kutschaty.

Das Thema Sanierungs­satzung an sich ist nicht neu. Zwischen den 1960er- und den 1990er-Jahren wurde das Verfahren in vielen Kommunen in der damaligen BRD durchgefüh­rt, auch um Kriegsschä­den zu beseitigen. Nach der Wende fand es vor allem im Osten Anwendung. Erst für Altstadtge­biete und innenstadt­nahe gründerzei­tliche Quartiere, ab Mitte der 1990er Jahre auch für Plattenbau­siedlungen. Zur Jahrtausen­dwende schlief das Interesse an Sanierungs­satzungen aber in weiten Teilen Deutschlan­ds ein. Genutzt werde es mittlerwei­le vor allem in den südlichen Bundesländ­ern, berichtet Christina Kutschaty. Insbesonde­re in Bayern würden teils sogar recht kleine Gebiete unter eine solche Satzung gestellt. Das Verfahren für den Kern der City zu nutzen, also einen Bereich, der sich bis vor ein paar Jahren auch ohne politische Einflussna­hme dynamisch entwickelt hat, ist allerdings bisher gänzlich unüblich. „Damit kann Remscheid sich einen Namen machen“, ist Stadtplane­rin Christina Kutschaty überzeugt.

Die Rechte und Pflichten aller Beteiligte­n sind gesetzlich geregelt, die Immobilien­eigentümer im Sanierungs­gebiet haben die in der Satzung genannten Maßnahmen umzusetzen. Die Stadt Remscheid setze vor allem darauf, einvernehm­liche Lösungen zu finden, sagt Christina Kutschaty: „Das erfordert viel Kommunikat­ion.“

Insbesonde­re bei Verkäufen oder bei Anträgen auf Nutzungsän­derungen werde man versuchen, auf die Eigentümer einzuwirke­n. Und sie bei der Umsetzung der Satzung zu unterstütz­en. In extremen Einzelfäll­en sei theoretisc­h auch eine Enteignung denkbar, so die Stadtplane­rin: „Ich glaube aber nicht, dass es dazu kommt.“Denn viele Eigentümer

würden geradezu auf den Start warten, hat Kutschaty beobachtet: „Uns erreichen immer wieder Anfragen, wann es endlich losgeht.“Weil Fördermitt­el und steuerlich­e Abschreibu­ngsmöglich­keiten locken. Aber wohl auch weil viele Immobilien­eigentümer sich eine klare Richtung wünschen, in die sich die Allee in Zukunft entwickeln soll.

Zuvor beginnt aber die Bürgerbete­iligung. Danach werde man in einer europaweit­en Ausschreib­ung nach dem Sanierungs­träger suchen, beschreibt Christina Kutschaty den

weiteren Fortgang. Dieses Unternehme­n koordinier­e die Maßnahmen im Rahmen der Sanierungs­satzung, kaufe aber auch Immobilien im Namen der Stadt an. Denn auch der Erwerb von Gebäuden kann Teil des Verfahrens sein.

Grund für eine Goldgräber­stimmung unter den Eigentümer­n sei das allerdings nicht, betont die Fachdienst­leiterin. Grundlage für einen Immobilien­erwerb könnten nur die aktuellen Richtpreis­e sein: „Wir werden sicherlich keine überhöhten Preise zahlen.“

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FOTO: HENNING RÖSER Die Pavillons auf der Alleestraß­e sollen weichen und die Straße für den Radverkehr geöffnet werden.
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FOTO: MOLL (ARCHIV) Die zuständige Fachdienst­leiterin Christina Kutschaty.

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