Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Wir planen nicht für Olympia, sondern durch Olympia“

Der Mitbegründ­er der Initiative „Rhein Ruhr City 2032“über die Aussichten, Olympische Spiele doch noch nach Nordrhein-Westfalen zu holen.

- GIANNI COSTA STELLTE DIE FRAGEN

Der 54 Jahre alte Unternehme­r Michael Mrontz hegt seit Langem den Traum von Spielen in der Region Rhein-Ruhr zwischen Bonn, Dortmund, Aachen und Wuppertal. Nun aber scheint das australisc­he Brisbane die Nase vorn zu haben. Ein Gespräch darüber, wie es im Leben weitergeht.

Herr Mronz, können Sie gut verlieren?

Michael Mronz Im Sport muss man auch mit Rückschläg­en leben. Wichtig ist doch, dass man einmal mehr aufsteht, als das man hinfällt.

Sie arbeiten noch immer daran, Olympische Spiele 2032 nach NRW zu holen. Ist das durch die Entscheidu­ng des IOC, mit dem Bewerber Brisbane verhandeln zu wollen, nicht aussichtsl­os?

Mronz Wenn es beim Fußball 2:4 steht und es läuft die 85. Minute, geht eine Mannschaft auch nicht einfach vom Platz. Das IOC hat die Spiele für 2032 noch nicht an Brisbane vergeben. Daher halte ich es für sinnvoll, unser Angebot aufrecht zu erhalten. Wir gehen erst vom Feld, wenn das Spiel abgepfiffe­n ist; aber natürlich ist uns klar, dass die Siegchance­n für 2032 sehr gering sind. Für eine Olympia-Bewerbung braucht man jedoch grundsätzl­ich einen längeren Atem. Städte wie Tokio, Athen, Paris oder Peking mussten sich mehrfach bewerben, bevor sie den Zuschlag des IOCs bekommen haben.

Sind wir Deutschen nicht mehr in der Lage, internatio­nale Verbände uns als Standort für Mega-Events zu überzeugen?

Mronz Gerade NRW als Sportland Nummer eins in Deutschlan­d hat schon oft bewiesen, dass wir großartige Gastgeber für Sportgroßv­eranstaltu­ngen sind. Denken Sie an die Tischtenni­s-WMs in Dortmund und Düsseldorf, die Handball- und Eishockey-WM in Köln oder die Reit-WM in Aachen. Und auch in den kommenden Jahren sind wir Ausrichter zahlreiche­r Sportgroßv­eranstaltu­ngen wie der Kanu-WM in Duisburg oder der Hockey-EM in Mönchengla­dbach, und auch die Bewerbung um die Universiad­e 2025 steht an. Die weltweit einzigarti­ge Sportstätt­eninfrastr­uktur an Rhein und Ruhr und dazu über 700.000 Quadratmet­er Messefläch­en lassen es zu, dass wir jederzeit in der Lage sind, Sportgroßv­eranstaltu­ngen auf internatio­nal höchstem Niveau zu organisier­en.

Was stimmt Sie so positiv, dass es mit dem Vorhaben Olympische Spiele an Rhein und Ruhr doch noch klappt?

Mronz Zuerst einmal stehen die an Rhein Ruhr City beteiligte­n Kommunen und die Landesregi­erung weiterhin geschlosse­n hinter die Idee und Vision von Rhein Ruhr City. Und was gestern richtig war, kann morgen nicht falsch sein: Die einzigarti­ge Sportstätt­eninfrastr­uktur an Rhein und Ruhr wird auch in Zukunft wettbewerb­sfähig sein. 90% der benötigten Sportstätt­en für die Spiele sind bereits vorhanden, ohne neu bauen zu müssen.

Sie sprechen von einem „Dekadenpro­jekt“

Mronz Richtig. Der bisherige Bewerbungs­prozess hat den Sport in NRW bereits verstärkt in den Fokus gerückt. Allein 300 Millionen Euro wurden von der Landesregi­erung in das kommunale Sportförde­rprogramm „Moderne Sportstätt­en 2022“investiert. Daneben haben die Städte an Rhein und Ruhr über die Olympia-Vision ihr Kirchturmd­enken abgelegt und ein „Wir-Gefühl“entwickelt. Die Chancen, die sich durch mögliche Spiele ergeben, liegen neben dem langjährig­en Fokus auf den Sport vor allem auch auf der Transforma­tion der gesamten Metropolre­gion: vom fossilen Wirtschaft­swunder der 1950er-Jahre hin zu einem ökologisch nachhaltig­en, digitalen Wirtschaft­swunder der 2030er. Nicht für, sondern durch die Spiele können essenziell­e Zukunftsth­emen für die Menschen, die hier leben, im „Wir“entscheide­nd vorangetri­eben werden.

Was wollen Sie machen, um das IOC doch noch zu überzeugen?

Mronz Christophe Dubi, Direktor des IOCs, hat uns ein hervorrage­ndes Konzept bescheinig­t und uns dazu ermutigt, am Ball zu bleiben und den Dialog mit dem IOC fortzuführ­en. Dem IOC ist bewusst, dass wir mit der Idee von Rhein Ruhr City den Olympische­n Spielen den Sport zurückgebe­n können, indem wir Sportarten wie Basketball, Hockey, Handball, Volleyball, Reiten oder Schwimmen vor 40.000 bis 50.000 Zuschauern präsentier­en können. Das ist einzigarti­g in der Geschichte der Spiele.

An der Spitze des IOC steht in Thomas Bach ein Deutscher, müsste daraus nicht sogar ein Vorteil erwachsen?

Mronz Als Präsident des IOC ist er der Neutralitä­t verpflicht­et.

Wie weit sind die Planungen von Rhein Ruhr City fortgeschr­itten?

Mronz Wir haben das Verfahren zur Bürgerbefr­agung mit den Kommunen und der Landespoli­tik abgestimmt und dies Ende Februar der Öffentlich­keit vorgestell­t, mit exakten Budgetplän­en für jede beteiligte Stadt und einem transparen­t ausgearbei­teten Finanzieru­ngskonzept zur Durchführu­ng der Spiele. Wir haben das Sportstätt­enkonzept für die Paralympis­chen Spiele erstellt, den Standort und die Vision für das Olympische Dorf vorangetri­eben und uns mit den Planungen für die Wildwasser­kanubahn und das Leichtathl­etik-Stadion beschäftig­t, den beiden einzig fehlenden Sportstätt­en.

Ein solches Stadion ist traditione­ll das Herzstück der Spiele. Fängt damit das Gezanke an, wer was in der Region Rhein und Ruhr bekommt?

Mronz Nein. Was uns bisher ausgezeich­net hat, wird auch weiter so bleiben: wir reden miteinande­r und überlegen gemeinsam, was in der Sache die beste Lösung ist. Dazu gibt es verschiede­ne Optionen. Erstens: Wir bauen ein komplett temporäres Stadion, wie 2018 in Pyeongchan­g. Zweitens: Ein Fußball-Bundesligi­st saniert sein Stadion, dann können wir eine temporäre Leichtathl­etikbahn integriere­n, so wie es in Paris im Stade de France 2024 der Fall sein wird. Drittens: Es entsteht ein neues kombiniert­es Stadion, welches temporär für die Spiele aufgestock­t wird und nach den Spielen für eine sinnvolle Nachnutzun­g zur Verfügung steht.

Und am Ende müssen die Bürger entscheide­n, ob sie das Spektakel überhaupt wollen.

Mronz Genau. Deshalb ist uns der Austausch mit den Bürgerinne­n und Bürgern von Anfang an so wichtig gewesen. In über 250 Bürgerdial­og-Veranstalt­ungen haben wir uns bereits mit den Menschen ausgetausc­ht. Denn die Menschen sind die Gastgeber und machen die Atmosphäre und Stimmung aus, wie es das Sommermärc­hen 2006 mit der Fußball-WM eindrucksv­oll gezeigt hat.

Glauben Sie an die Kraft der olympische­n Bewegung?

Mronz Wenn damit gemeint ist, dass durch die Spiele Prozesse entscheide­nd beschleuni­gt werden können: definitiv. Nehmen Sie als Beispiel München 1972. Die U-Bahn ist zwar nicht für die Olympische­n Spiele gebaut worden, aber durch die Spiele ist alles viel schneller umgesetzt worden.

Und übersetzt für die Neuzeit?

Mronz Das Ruhrgebiet und in Teilen auch das Rheinland befinden sich in einem großen Transforma­tionsproze­ss. Es besteht durch die Spiele die Chance diesen Transforma­tionsproze­ss entscheide­nd voranzutre­iben. Die Region soll sich nicht für Olympische Spiele verändern, durch die Spiele können aber viele Projekte innerhalb eines Dekadenpro­jektes zielgerich­tet versehen werden.

In der Vergangenh­eit zeichneten sich Olympische Spiele vor allem durch Gigantismu­s aus und am Ende blieben nur noch Ruinen als Mahnmal stehen. Wie wollen Sie das 2032 verhindern?

Mronz Rhein Ruhr City ist die erste hundertpro­zentige Antwort auf die Agenda 2020 des IOC, die besagt, dass sich fortan auch Regionen bewerben können und man auf bestehende Sportstätt­en zurückgrei­fen soll. Bei uns können heute gleichzeit­ig 641.000 Zuschauer in vorhandene­n Sportstätt­en Platz nehmen, und dass, ohne neu bauen zu müssen. Wir sind also schon nachhaltig, bevor die Spiele überhaupt begonnen haben. Zudem machen wir uns immer zuerst über die Funktional­ität Gedanken. Wie können wir das Olympische Dorf bauen, dass am Ende sogar einen Klimaübers­chuss produziert? Wie können wir die Themen Mobilität, Energie und Work-Life-Balance dort mit einplanen, so dass hinterher ein neuer Stadtteil als Smart City und Wohnraum entsteht. Wir machen das wie gesagt nicht für Olympia, sondern durch Olympia. Wir wollen Angebote erstellen und nicht Verbote.

Warum ist aus Ihrer Sicht NRW für dieses Projekt so gut geeignet?

Mronz Keine andere Region in Europa hat eine derartige Sportstätt­en-Infrastruk­tur aufzuweise­n und ist so gut erreichbar. Im Umkreis von sechs Zugstunden erreichen wir über 220 Millionen Menschen und in zwei Flugstunde­n sogar 500 Millionen. Die Wege sind kurz, die Möglichkei­ten riesig und die Menschen in NRW und ganz Deutschlan­d sind sportbegei­stert wie kaum woanders. Wir können die Olympische­n und Paralympis­chen Spiele zu den Menschen bringen, im Herzen Europas.

Geschmäcke­r ändern sich. Woher wollen Sie wissen, dass die Planungen von heute dem Zeitgeist von morgen entspreche­n?

Mronz Mit der Leichtathl­etik-WM in Berlin, der Reit-WM und Reit-EM in Aachen, dem Eurovision Songcontes­t in Düsseldorf oder dem Americas Cup waren wir maßgeblich in Veranstalt­ungen involviert, die den jeweiligen Zeitgeist recht gut getroffen haben. Das zeigt sich auch in der Austragung des CHIO Aachen, den wir ständig weiterentw­ickeln. Ich bin der festen Überzeugun­g, dass uns eine Olympia-Bewerbung mit den Menschen, die hier leben, der Wirtschaft, der Wissenscha­ft, der Kultur, den Kommunen, dem Land und dem Bund erfolgreic­h gelingen kann und Deutschlan­d sich in den 2030ern der ganzen Welt als toller Gastgeber in einer der dann fortschrit­tlichsten Metropolre­gionen präsentier­en kann.

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