Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Schwedens Lehrer haben Angst
Die Pädagogen protestierten gegen die lasche Corona-Politik der Regierung.
STOCKHOLM Schwedens Lehrer schlagen Alarm: Hohe Fallzahlen unter Schülern und Lehrer führten zum Protest des Lehrerverbands am Montag. „Es wurden überhaupt keine Maßnahmen getroffen, die Schulen zu einem infektionssicheren Umfeld zu machen“, so Johanna Jaara Astrand, Vorsitzende des Lehrerverbands.
Präzise Zahlen liegen nicht vor, doch nach einer aktuellen Statistik des „Arbetsmiljöverkets“, der Verwaltungsbehörde für das Berufsleben, gebe es dieses Jahr unter den Erziehern und Lehrern 7153 Infektionen, davon 90 Prozent bei Kindergärten und Grundschulen. Beim Pflegepersonal seien es allein 4400 bestätigte Infektionen. Nach Angaben des Gesundheitsamtes ist der Anteil der infizierten Kinder seit Februar um fünf bis 25 pro Woche gestiegen. Schuld habe die britische Mutante B117. Mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 414 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner liegt Schweden nach Zypern innerhalb der EU auf einem traurigen Spitzenplatz.
Die Pädagogin erhebt auch schwere Vorwürfe gegen das Gesundheitsamt, das sich weigere, Lehrer als
Berufsgruppe bei der Impfung zu bevorzugen. Erziehungsministerin Anna Ekström betonte, dass Schweden alles unternehme, um so schnell wie möglich weiter Impfstoffe zu beschaffen. Derzeit sind etwas mehr als 20 Prozent der erwachsenen Schweden zum ersten Mal geimpft worden. Schweden ist bekannt für seinen Sonderweg. Im vergangen
Frühjahr verzichtete es zum Beispiel auf einen Lockdown.
Die Pädagogen befürchten nun einen Infektionsschub durch das Öffnen der Gymnasien nach den Osterferien. Während Kindergärten und Grundschulen seit Beginn der Pandemie durchgehend offen hatten, hatten die Oberschulen von Dezember bis Mitte April den Unterricht digital umgesetzt.
Ein Protest gegen die Öffnung wurde Ende März von dem Staatsepidemiologen Anders Tegnell abgewehrt: „Die Arbeit für Lehrer ist nicht gefährlicher als für andere auch.“In Schweden wird weder für Lehrer noch Schüler das Tragen von Masken angeraten, das Gesundheitsamt setzt vor allem auf Abstandhalten. Umstritten gilt weiterhin, ob Grundschüler Träger der Infektion seien.
Schweden agiert auch beim Testen zurückhaltend. So ist beim Nachbarn Dänemark nach Öffnung der Mittelschulen im März das Testen der Schüler zweimal in der Woche obligatorisch. In Schweden wurde erst in der vergangenen Woche eine Empfehlung des Gesundheitsamtes ausgesprochen, dass Schüler getestet werden sollten, wenn sie Kontakt zu Infizierten hatten. Einige Schulen weigern sich, sich vom Distanzunterricht zu verabschieden. Den Schulleitungen wurde von der schwedischen Regierung eine gewisse Entscheidungsfreiheit zugestanden.
Das Land mit zehn Millionen Einwohnern befindet sich in der sogenannten „Dritten Welle“. Seit Ende März werden täglich um die 7000 bis 8000 Fälle gemeldet. Bei bereits über 900.000 Personen wurde eine Infizierung mit dem Coronavirus nachgewiesen. 13.788 starben mit oder an Covid-19. Der schwedische Sonderweg ist innerhalb des Landes umstritten.
In Schweden wird weder Lehrern noch Schülern zum Tragen von Masken geraten.