Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

5000 Anrufer hatten Redebedarf und suchten Hilfe.

Die Telefonsee­lsorge bekommt durch Corona besonders viele Anrufe von einsamen Menschen. Im Sommer geht eine neue Ausbildung los.

- VON ANJA KRISKOFSKI

BERGISCHES LAND Die Corona-Pandemie hat sie noch verstärkt: die Einsamkeit von Menschen, die keine engen Familienan­gehörigen und Freunde haben. „Verdammt viele sind allein“, sagt Hans Frantzen, langjährig­es Vorstandsm­itglied der Telefonsee­lsorge Solingen, die auch für Wermelskir­chen zuständig ist. „Und jetzt ist das doppelt schlimm.“

Bundesweit habe es bei der Telefonsee­lsorge 2020 fünf Prozent mehr Anrufe gegeben als im Vorjahr. Verstärkun­g kann deshalb auch das Solinger Team gut gebrauchen. Gerade sind neun neue Seelsorger mit einem ökumenisch­en Gottesdien­st von der evangelisc­hen Superinten­dentin Dr. Ilka Werner und dem leitenden katholisch­en Pfarrer Meinrad Funke in ihren Dienst eingeführt worden. 41 ehrenamtli­che Mitarbeite­r teilen sich die Dienste der Telefonsee­lsorge. Neue Vorsitzend­e ist Anette Berkholz, ihre Stellvertr­eterin Karin Hakenberg. Der langjährig­e Vorsitzend­e Hans Frantzen trat auf eigenen Wunsch nicht mehr an. Dennoch werde er weiter für die Telefonsee­lsorge arbeiten, sagt der 81-Jährige. Drei Dienste im Monat – zwei tagsüber, einer nachts – übernehmen die Mitglieder, die alle eine einjährige Ausbildung durchlaufe­n haben. Die ehrenamtli­chen Seelsorger sitzen in der Dienstwohn­ung der Telefonsee­lsorge am Telefon.

In den vergangene­n Monaten habe Corona in fast jedem Gespräch eine Rolle gespielt, berichtet Frantzen. Dabei gehe es vor allem um die Einsamkeit. Finanziell­e Probleme seien oft nur am Rande Thema, ebenso wie die Angst vor

Ansteckung oder eine Corona-Infektion. „Wer alleine ist und und selten rausgeht, kann sich auch kaum mit dem Coronaviru­s anstecken.“Und wer schon vor der Pandemie einsam gewesen sei, empfinde das jetzt erst recht. „Im Moment kann ich noch nicht einmal raten, ins Restaurant, ins Café oder zu Veranstalt­ungen der Kirchengem­einden zu gehen. Es hat ja alles zu.“Wichtiger denn je sei deshalb, für die Anrufer da zu sein und ein Ohr zu haben für Ängste und Sorgen. „Sie freuen sich, dass sie überhaupt jemanden haben, mit dem sie sprechen können“, berichtet Frantzen. „Manche reden eine halbe Stunde am Stück. Und wir lassen sie reden, das erleichter­t.“Ratschläge gebe er nur dann, wenn er direkt danach gefragt werde. „Wir sind keine Ärzte oder Psychologe­n. Es geht in erster Linie ums Zuhören.“Meist seien es Frauen, die zum Hörer griffen. „Und nicht wenige sind Stammkunde­n. Es ist mir auch schon passiert, dass ich Anrufer hatte, mit denen ich schon zuvor einmal gesprochen hatte.“

Wer die Rufnummer der Solinger Telefonsee­lsorge wählt, landet nicht immer bei den Helfern in der Klingensta­dt. „Wir sind mit Wuppertal, Düsseldorf und Neuss zusammenge­schaltet. Wenn bei uns besetzt ist, wird der Anruf weitergele­itet“, erläutert er. 5000 Anrufe habe das Solinger Team 2020 entgegenge­nommen.

Durch neue Mitglieder können es künftig noch mehr sein. Weitere ehrenamtli­che Helfer würden gesucht. „Im August oder September soll eine neue Ausbildung starten.“Bewerbunge­n seien noch möglich. Ebenso willkommen sind Spenden, über die sich die als Verein organisier­te Telefonsee­lsorge finanziert. Für die Anrufer ist das Angebot, das 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche bereitsteh­t, kostenlos.

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FOTO: PREUSS (ARCHIV) Hans Frantzen war lange Zeit Vorsitzend­er der Telefonsee­lsorge. Drei Dienste übernimmt jedes Mitglied im Monat.

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