Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Schicksalsfrage Astrazeneca
Für diesen Stoff den Arm hinhalten? Vorbilder helfen bei der Abwägung.
Diesmal reicht die bekannte rheinische Zuversicht („Et hätt noch immer joot jejange“) nicht aus. Diesmal muss jede und jeder einen Beitrag leisten, damit alles gut (oder zumindest besser) wird. Das ist fast so wie bei der Tombola: Wer gewinnen will, muss erst mal ein Los kaufen. In der Pandemie heißt das: den Arm hinhalten.
Der Bundespräsident hat es vorgemacht. Frank-Walter Steinmeier hat sich mit Astrazeneca (!) impfen lassen. Aber der Kampf gegen das Virus ist längst nicht gewonnen. Es gibt noch Skepsis gegen den britischen Impfstoff. Verständlich. Denn immer wieder neue, einander widersprechende Empfehlungen haben dazu geführt, dass bei manchem die Sorge vor Nebenwirkungen der Impfung größer ist als die Angst vor einer Erkrankung an Covid-19. Nun braucht es werbende Aufklärung und glaubhafte Fürsprecher.
Da hilft Karl Lauterbach. Der Sozialdemokrat ist Rheinländer und gewohnt, mit Singsang in der Stimme und ohne Punkt und Komma zu verkünden, was er für richtig hält – im Fernsehen bei Markus Lanz und anderswo. Diesmal ist er mit dem Bundespräsidenten einig: Astrazeneca ist – zumindest für Menschen ab 60 – gut und die schnelle Hilfe in großer Not. Auch Lauterbach hat sich das umstrittene Vakzin spritzen lassen. Dennoch muss Überzeugungsarbeit geleistet werden. Der Bundespräsident fordert Zusammenhalt ein. Ausgerechnet die eher behütet aufgewachsenen Kinder der geburtenstarken Jahrgänge (heute mit 60 plus im Großelternalter) stehen vor einer Entscheidung, die gar als Schicksalsfrage wahrgenommen wird und manchen schlichtweg überfordert: Astrazeneca, ja oder nein? Jetzt impfen lassen oder viel später mit einem anderen Serum? Es gibt die, die jetzt im April einen Termin ergattert haben – wie Angela Merkel. Und da sind die Skeptiker, die Astrazeneca scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Wer rheinisch – allein mit Gottvertrauen – die Krise überwinden will, sollte bedenken, was meine Oma immer gesagt hat: Die beste Krankheit ist nichts wert. Das habe ich nicht vergessen und mich piksen lassen.
Unser Autor ist stellvertretender Chefredakteur. Er wechselt sich hier mit Politikredakteurin Dorothee Krings ab.