Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Bundestag verabschiedet Notbremse
Das Infektionsschutzgesetz muss an diesem Donnerstag noch durch den Bundesrat.
BERLIN Das Gesetz für eine Bundes-Notbremse gegen die dritte Corona-Welle ist vom Bundestag am Mittwoch verabschiedet worden.
Was wurde beschlossen?
Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 in einem Landkreis tritt automatisch eine Ausgangssperre in Kraft, die ab 22 Uhr greift. Allerdings dürfen einzelne Personen von 22 bis 24 Uhr ihr Zuhause verlassen, etwa um spazieren zu gehen oder zu joggen. Ab Mitternacht gilt die Ausgangssperre bis 5 Uhr. Schulen und Kitas sollten nach der Vorlage der Regierung ab einer Inzidenz von 165 geschlossen werden. Arbeitgeber sollen zwei Schnelltests pro Woche anbieten. Die Änderungen gelten bis 30. Juni.
Was ist mit den Schulen?
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte im Bundestag insbesondere die Sonderregelung für die Schulen. Die Kinder „haben es verdient, dass wir uns um sie kümmern“, sagte der Bundesfinanzminister. Deshalb sollten die Schulen als letztes geschlossen werden. Der Deutsche Lehrerverband forderte bessere Impfbedingungen für die Lehrer
und eine bessere Ausstattung der Schulen mit Schnelltests. „Ich halte es für problematisch, jenseits der Empfehlungen von RKI und Gesundheitsbehörden neue Grenzwerte zu erfinden. Die Zahl 165 stammt ja nicht von Virologen, sondern von der Politik, so nach dem Motto: Jetzt nehmen wir mal eine Zahl, wonach man zumindest die Hälfte der Schulen offenhalten kann“, sagte Lehrerverbandschef Heinz-Peter Meidinger.
Ab wann greift das Gesetz?
Die neuen Regelungen könnten frühestens ab diesem Samstag greifen. Bevor das geschehen kann, müssen sie am Donnerstag den Bundesrat passieren. Zudem muss Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetz unterzeichnen. Es ist offen, ob das am Donnerstag geschehen wird, weil das Gesetz – wie jedes andere auch – im Präsidialamt erst geprüft wird. Damit die Notbremse greift, muss die Sieben-Tage-Inzidenz an drei Tagen über 100 liegen. Diese drei Tage sollen nach dem jüngsten Entwurf nun auch schon die drei Tage unmittelbar vor Inkrafttreten des Gesetzes sein.
Was sagen die Ärzte?
Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund hält das
Gesetz für nicht ausreichend. „Die Maßnahmen sind richtig, kommen aber deutlich zu spät und gehen in einzelnen Punkten nicht weit genug. Die Infektionsdynamik hätte schon früher gebrochen werden können“, sagte die Vorsitzende Susanne Johna unserer Redaktion. „Die Politik hat stattdessen viel Zeit verstreichen lassen, obwohl es gerade aus dem Bereich der Intensivmedizin deutliche Hilferufe gab und detaillierte Prognoserechnungen vorlagen“, kritisierte die Medizinerin. Jetzt sei das Personal in vielen Krankenhäusern „wieder extrem belastet, und Kliniken kommen an Kapazitätsgrenzen, nicht nur bei Covid-19-Patienten“, betonte Johna.
Was passierte vor dem Reichstag?
Mehrere Tausend Menschen demonstrierten am Mittwoch im Berliner Regierungsviertel gegen die Corona-Beschränkungen. Nach Angaben eines Polizeisprechers versammelten sich auf der Straße des 17. Juni rund 8000 Demonstranten. Die Mehrzahl der Teilnehmer trug weder Mundschutz, noch hielten sich die Teilnehmer an den Mindestabstand. Deshalb wurde die bis 22 Uhr angemeldete Versammlung bereits gegen Mittag aufgelöst. Vereinzelt kam es zu Rangeleien.