Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Der Brexit erhöht Kosten und Bürokratie
Viele heimische Unternehmen pflegen Handelsbeziehungen nach Großbritannien – und spüren die Folgen des Brexits im Alltag deutlich.
WERMELSKIRCHEN Das Vereinigte Königreich ist für deutsche Unternehmen der achtwichtigste Handelspartner der Welt. Die Industrieund Handelskammer (IHK) zu Köln, die auch für den bergischen Raum und mithin für Wermelskirchen zuständig ist, spricht von einem Handelsvolumen von etwa 102 Milliarden Euro. Auch im Bergischen Land pflegen die Unternehmen Geschäftsbeziehungen
„Der Brexit hat die Geschäfte mit Unternehmen in Großbritannien erschwert“
Jörg Suer Export-Leiter
auf die Insel – auch nach dem Brexit. „Sowohl im Einkauf als auch im Verkauf bestehen Handelsverbindungen“, sagt Ayse Tomris von der Geschäftsführung der Firma Steintex. Auch Tente Rollen und die Suer Nutzfahrzeugtechnik berichten von Handelsverbindungen ins Vereinigte Königreich. „Tente hat eine eigene Vertriebsgesellschaft in Großbritannien, die wöchentlich von unserem Produktionsstandort in Wermelskirchen mit Warenlieferungen versorgt wird“, sagt Manja Fiori von Tente Rollen.
Seit Anfang des Jahres arbeiten die Partner diesseits und jenseits der Nordsee unter neuen Bedingungen.
Der Brexit hat die Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und anderen EU-Ländern verändert. „Der Brexit hat die Geschäfte mit Unternehmen in Großbritannien erschwert“, räumt Jörg Suer ein, der im Familienunternehmen als Export-Leiter im Einsatz ist. Wegen des Austritts der Briten aus der EU müssten nun Ausfuhrdokumente mit Zollregistrierungsnummer erstellt werden, die Ware nach Großbritannien müsse speziell verpackt werden – sie muss nun einem internationalen Standard genügen.
Der bürokratische Aufwand hat sich erhöht. Davon berichtet auch Manja Fiori: „Die Organisation unserer Supply Chain erfordert ein erhöhtes Maß an Dokumentation, und die Abwicklung unserer Sendungen ist komplexer geworden“, berichtet sie. Aber: Einen großen Einfluss auf das Geschäft habe der Brexit trotzdem nicht. „Wir betreuen ohnehin viele andere Drittländer wie die Schweiz, deswegen ist die Abwicklung von Lieferungen nach Großbritannien kein vollkommen neues Thema für uns“, sagt Manja Fiori.
Unterdessen stellt die Firma Steintex vor allem Veränderungen im Bereich der Kosten und Lieferzeiten fest. „Die Transportkosten sind hoch, und es entstehen neue Abwicklungskosten“, berichtet Ayse Tomris. Außerdem hätten sich Lieferzeiten in manchen Bereichen deutlich verlängert. Wie das Unternehmen auf diese Veränderungen reagiert? „Im Einkauf setzen wir auf eine Lagerbevorratung“, erklärt Ayse Tomris. So entstünden keine Probleme durch längere Lieferzeiten. Und im Verkauf werden die Kunden gebeten, auch mit längeren Lieferzeiten zu planen.
Die IHK in NRW macht nach ihrer aktuellen Umfrage „Going International 2021“den Brexit mit dafür verantwortlich,
den Außenhandel der NRW-Wirtschaft auszubremsen, sagt Ralf Stoffels, Präsident der IHK NRW. DieExporte seien im vergangenen Jahr um neun Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren zurückgegangen. Die Hälfte der Unternehmen berichten von einer Zunahme von Handelshemmnissen im internationalen Geschäft – teils coronabedingt.
„Verstärkte Sicherheits- und lokale Zertifizierungsanforderungen, sowie höhere Zölle oder Sanktionen belasten die Unternehmen, die bereits unter der Corona-Pandemie leiden zusätzlich“, sagt Stoffels. Die Geschäftssituation mit Großbritannien werde von mehr als 60 Prozent der betroffenen Unternehmen als schlecht eingestuft. Mehr als die Hälfte der Unternehmen erwarte eine zunehmende Verschlechterung im Laufe des Jahres.