Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Das Handwerk wirbt kreativ um Azubis
Viele handwerkliche Berufe leiden unter Imageproblem. Trotzdem sind schon viele Ausbildungsverträge abgeschlossen.
Wie groß ist generell die Bereitschaft heimischer Handwerksbetriebe, auszubilden?
MARKUS OTTO Die Bereitschaft, im Handwerk in Wermelskirchen und der Region auszubilden, ist derzeit hoch. Wir haben sehr viele Betriebe, die sich auch bei uns melden und noch freie Ausbildungsplätze weitergeben. Das ist natürlich von Gewerk zu Gewerk unterschiedlich. Aber unabhängig von Corona hat auch das Handwerk einen sehr großen Fachkräftebedarf.
Wie stark wird diese Bereitschaft von der Corona-Pandemie beeinflusst?
OTTO Stark. Wir stellen fest, dass vor allem die Betriebe, die derzeit viel zu tun haben, auch gerne neue Auszubildende einstellen möchten. Und demnach überlegen Handwerker, die ob der Pandemie in wirtschaftlicher Not sind, ob sie die Verantwortung für eine mindestens dreijährige Ausbildung übernehmen können und sind gegebenenfalls eher zurückhaltend.
Welche Gewerke bilden besonders stark aus? Welche sind eher zurückhaltend?
OTTO Ein Zuwachsplus verzeichnen wir derzeit im Elektro- und Metallhandwerk – ebenso sieht es im Bauhauptund Baunebengewerbe aus. Die Tischler, Bäcker und Fleischer haben auch schon viele abgeschlossene Ausbildungsverträge zu verzeichnen. Ein Minus sehen wir leider derzeit im Bereich Gesund- und Körperpflege – auf das Gebiet der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land bezogen sind das die Friseure. Aber klassischerweise werden im Handwerk Ausbildungsverträge spät abgeschlossen. In der Zeit zwischen Ostern und den Sommerferien wird sich noch viel bewegen und wir sind für alle Gewerke optimistisch.
Wie groß ist die Nachfrage nach Ausbildungsstellen im Handwerk? OTTO Die Nachfrage ist leider derzeit zu gering.
Wie wird die Nachfrage-Situation durch Corona beeinflusst?
OTTO Sehr stark. Es haben keine Berufsfelderkundungen stattfinden können, weil die Schulen im Distanz- oder Wechselunterricht waren. So hat in den Schulen keine Berufsberatung stattgefunden. Dies ist ein ganz schwieriger Jahrgang – auch schwieriger als der vergangene Abschlussjahrgang. Zudem konnten keine Ausbildungsmessen stattfinden – auch die Kreishandwerkerschaft ist in dem Bereich sonst sehr aktiv. Es haben natürlich digitale Angebote stattgefunden und es finden ja auch noch weitere statt, doch die heben das Defizit nicht auf. Schließlich lag vor der Pandemie unsere Stärke darin, dass wir mit der Berufsfelderkundung rechtzeitig angefangen haben. So konnten sich junge Menschen und Betriebe gegenseitig kennenlernen.
Welche Berufe sind besonders beliebt? Welche haben eher Schwierigkeiten, Azubis zu finden?
OTTO Der Kfz-, Elektro-, Metall- und Sanitärbereich sind bei vielen jungen Menschen sehr beliebt. Eine nicht ganz so starke Nachfrage haben derzeit das Bau- und Dachdecker-Handwerk.
Wo liegen die Gründe dafür?
OTTO Das liegt vor allem an dem falschen Image der Berufe. Es sind noch althergebrachte Vorstellungen in den Köpfen der Jugendlichen. Diese stimmen nicht mehr mit der Realität überein. Es wird viel mehr Technik, Maschinenkraft, Computertechnologie – als dies bekannt ist – eingesetzt. Und durch die fehlenden Kontakte mit den Betrieben haben die Jugendlichen auch keinen modernen Eindruck der Berufe erhalten. Zudem werden negative Vorstellungen auch durch Videos und Fernsehsendungen weiter gefüttert. Aus diesen Gründen haben wir den Mai zum besonderen Ausbildungsmonat deklariert und werden mit einem digitalen Videoprojekt, das es bei uns so noch nicht gab, Premiere feiern. Hier sprechen wir den Nachwuchs gezielt über TikTok und YouTube an.
Reichen die Voraussetzungen, die Bewerber anzubieten haben?
OTTO Teilweise ja – teilweise nein. Aber das war auch in der Vergangenheit so. Es gibt natürlich tolle junge Menschen, die viel Potenzial mitbringen. Aber es gibt auch andere, die mehr Unterstützung brauchen, die sich aber vielleicht in der für sie richtigen Umgebung gut entwickeln. Hier merken wir den demografischen Wandel und die Menge der jungen Menschen, die nachrückt, ist weniger geworden.
Suchende Azubis – suchende Ausbildungsbetriebe: Warum finden beide zuweilen nicht zueinander?
OTTO Sie müssen viel viel mehr für sich werben. Mehr als in der Vergangenheit. Wer das nicht macht, findet bei den Jugendlichen nicht richtig statt. Ich bin froh, dass es eine Vielzahl von Handwerksbetrieben gibt, die hier kreative Wege für sich gefunden haben.
DAS GESPRÄCH FÜHRTE THERESA DEMSKI