Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Warum kein Classic-Rock-Sender ohne Glenn Frey und die Eagles auskommt.
Die Eagles prägten mit ihrem unverwechselbaren Sound eine Generation von Künstlern. Mit „Hotel California“schufen die Westcoast-Rocker zudem eines der erfolgreichsten Alben der Musikgeschichte. Was die Band so besonders macht.
Einmal absteigen im „Hotel California“– wer möchte das nicht? Sonne, Strand, Surfen, alles inklusive. Die lässige Seite des American Way of Life genießen. Westcoast-Feeling. Dutzende Hotels haben seit den 70er-Jahren den Namen für sich gekapert, in der Hoffnung, der Ruhm möge Gäste anlocken. Dabei haben die Eagles 1976 mit ihrem berühmtesten Song keine Einladung ausgesprochen, sondern eine Warnung, haben darin abgerechnet mit der kalifornischen Lebensart, bei der man nicht weiß, ob man im Himmel oder in der Hölle gelandet ist. Einmal drin, führt kein Weg mehr hinaus. Dieses vielbesungene Hotel ist kein Sehnsuchtsort, sondern ein Gefängnis: „You can check out any time you like/But you can never leave“.
Worum es in dem Lied genau geht, darüber wird bis heute viel spekuliert. Um Satanisten, sagen manche, für andere ist es ein Stück über eine Hippie-Sekte oder eine psychiatrische Klinik, aus der es kein Entkommen gibt. Klar ist aber: Die Eagles waren 1976 schon Gefangene ihres eigenen Erfolgs, hatten ihren künstlerischen Zenit erreicht, wenn nicht überschritten. „Hotel California“, das sich 107 Wochen in den USCharts hielt, markierte den kreativen wie kommerziellen Höhepunkt, von da an gab es hauptsächlich Variationen des Immergleichen. Wenige Jahre später zerbrach die Band, zu schwer lastete der Druck, sich selbst zu übertreffen. Erst 1994 breiteten die Eagles erneut ihre Schwingen aus, um auf den Konzertbühnen der Welt gen Rente zu segeln.
Angetreten waren Don Henley, Glenn Frey, Bernie Leadon und Randy Meisner 1971 in Los Angeles zunächst als Solo-Musiker, um ihre eigenen Karrieren in Schwung zu bringen. Sängerin Linda Ronstadt formte aus den Individualisten eine Band, Songwriter Jackson Browne lieferte gleich den ersten Hit dazu: „Take It Easy“. Markenzeichen der Gruppe war ihr präziser Harmoniegesang und der Verzicht auf psychedelische Passagen zugunsten einer prägnanten Gitarren-Grundierung, angereichert mit Elementen aus Blues, Country und Rock. Ähnlich wie Crosby, Stills, Nash & Young entwickelten die Eagles gängige Stile weiter, klangen aber weitaus gefälliger und prägten damit den sogenannten Westcoast-Rock,
zu deren prominenten Vertretern etwa die Doobie Brothers und America zählten.
Die Eingängigkeit zahlte sich aus, vor allem in den USA: Kein „Classic Rock“-Sender ohne Songs der Eagles, bis heute. Insgesamt brachten sie es in ihrer Heimat auf fünf Nummer-eins-Hits und sechs Nummer-eins-Alben, darunter mit „Their Greatest Hits 1971–1975“die in den Vereinigten Staaten meistverkaufte Platte der Geschichte, noch vor Michael Jacksons „Thriller“. Weltweit ist es immerhin das meistverkaufte Best-of-Album. Denn auch jenseits der Landesgrenzen waren die Eagles populär, tourten mit ihrem melodiösen Rock ausgiebig rund um den Globus, die letzten Konzerte fanden 2019 in Europa statt. All das geht ein in die fabelhafte Erfolgsbilanz, zu der ansonsten unter anderem gehören: sechs Grammys, fünf American Music Awards und ein Platz in der Rock and Roll Hall of Fame. Und natürlich mehr als 200 Millionen verkaufte Tonträger.
Allerdings verlief auch der Höhenflug der Eagles nicht ohne Turbulenzen. Mehrfach etwa gab es Umbesetzungen, 1973 stieß erst Gitarrist Don Felder dazu, ein Jahr später folgte für Bernie Leadon Gitarrist Joe Walsh. Beide prägten mit ihrem eher rockorientierten Spiel fortan den typischen Bandsound. Mit dem zunehmendem Erfolg wuchsen auch die Rivalitäten unter den Musikern, vor allem zwischen Felder und Frey. Beide drohten sich bei Konzerten gegenseitig Prügel an; einmal soll Felder seine Gitarre über Freys Kopf bedrohlich geschwenkt und nachher hinter der Bühne vor Wut zertrümmert haben. Der Konflikt mündete 1980 in die vorläufige Auflösung der Band.
Die zentralen Köpfe der Eagles jedoch blieben immer Henley und Frey. Bei allen menschlichen Unstimmigkeiten zwischen den beiden stimmte die kreative Chemie; sie zählen zu den einflussreichsten Songwriter-Duos der Popgeschichte, vergleichbar mit John Lennon/Paul McCartney und Mick Jagger/Keith Richards. Songs wie „Hotel California“und „Desperado“sind integraler Bestandteil US-amerikanischer Musikhistorie und Bezugsgrößen für andere Künstler. Henley und Frey waren es auch, die 1994 erfolgreich die Wiedervereinigung
der Band betrieben. Es folgten ausgiebige Konzerttouren und 2007 das Album „Long Road Out Of Eden“, das exklusiv über die Supermarktkette Walmart vertrieben wurde. Nach dem Tod von Glenn Frey pausierten die Eagles erneut, tourten aber ab 2017 mit seinem Sohn Deacon erneut, bis sie 2019 das endgültige Aus verkündeten.
Vor allem mit ihren ersten sechs Alben schufen Henley und Frey Werke, deren sanft verkitschte Romantik bis heute zu berühren weiß. Gerade in diesen schwierigen Zeiten, in denen jeder auf seine kleine Scholle zurückgeworfen ist, liefern sie den passenden Soundtrack für Reisen im Kopf, sozusagen vertonten Eskapismus. Wenn schon Gefangener, dann doch lieber im „Hotel California“.