Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Eine Maus kommt selten allein
Seit Monaten verwüsten Tausende der Nagetiere den Osten Australiens und verursachen Schäden in Millionenhöhe. Farmer sind am Ende ihrer Kräfte, und Medien sprechen von einer Plage „biblischen Ausmaßes“.
SYDNEY Seit Monaten fressen sich im Osten Australiens Mäuse durch Felder, Scheunen und Häuser. Die Schäden gehen inzwischen in Millionenhöhe. Ernten werden ruiniert, die örtlichen Supermärkte mussten bereits Waren für Tausende Dollar wegwerfen, nachdem die Mäuse Packungen und Lebensmittel anknabbern. Zudem fressen die Nager Kabel an, zerstören Geräte und Maschinen und lösen Kurzschlüsse und Feuer aus. Zwischenzeitlich war die Angst groß, dass die Mäuse ihren „Feldzug“sogar bis in die Millionenstadt Sydney fortsetzen könnten, doch diese Gefahr scheint inzwischen gebannt.
Für die ländliche Bevölkerung ist die derzeitige Mäuseplage eine der schlimmsten des vergangenen Jahrhunderts. Videos in sozialen Medien zeigen, wie Farmen von Hunderten oder sogar Tausenden Mäusen überfallen werden. Norman Moeris, ein Farmer aus Gilgandra, ein kleiner Ort rund sechs Autostunden nordwestlich von Sydney, berichtete in einem Videotelefonat, dass er in manchen Getreidesäcken schon bis zu 30.000 Mäuse gefunden habe. Der Gestank sei so intensiv, man könne ihn „aus Hunderten Metern Entfernung riechen“.
„Hier gibt es wahrscheinlich kaum noch einen guten Heuballen“, sagte er. „Wir hatten drei Jahre Dürre,, und jetzt haben wir gutes Heu geerntet, es im Heuschuppen eingelagert, und all das Heu ist total ruiniert.“Kein anderes Tier wolle es mehr fressen, so sehr stinke es, nachdem die Mäuse darüber hergefallen sind. Auch wenn es in früheren Jahren auch schon Mäuseplagen gegeben habe, sei dies eine Plage, der besonders schwer beizukommen sei. „Ich bin 64 Jahre alt und das ist das Schlimmste, das ich je erlebt habe“, sagte der Farmer. Lokale Medien sprachen bereits von einer Plage „biblischen Ausmaßes“.
Während die Menschen leiden, profitieren andere Lebewesen jedoch von der Mäuseplage. So entdeckte Aaron Graham, ein Fischer aus Dubbo, knapp 400 Kilometer nordwestlich von Sydney, dass die Fische im lokalen Fluss sich inzwischen an den Mäusen satt fressen und dadurch „groß und fett“geworden seien, wie er im Interview mit dem Fernsehsender Channel 7 berichtete. Graham sagte, dass er bereits einige Fische am Haken hatte, die bis zu zehn Mäuse im Magen gehabt hätten. Auch die Schlangen profitieren von dem Mäuse-Boom und vermehren sich derzeit rasant, nachdem sie nun ausreichend Nahrung vorfinden und dadurch ideale Bedingungen für die Fortpflanzung erleben.
„Ich bin 64 Jahre alt, und das ist das Schlimmste, das ich je erlebt habe“
Norman Moeris Farmer aus Gilgandra
Ihren Ursprung nahm die Mäuseplage bereits im vergangenen Jahr. Denn 2020 fiel fast so viel Regen wie in den beiden vorangegangenen Jahren zusammen. Dies legte – nach mehreren schlimmen Dürrejahren und intensiven Buschfeuern – die Grundlage für eine Rekordernte. Die reichen Erträge schafften jedoch auch ideale Bedingungen für die Mäuse, die nun ausreichend Nahrung vorfanden und sich rasant ausbreiteten.
Steve Henry verglich den Versuch einer Schätzung in Medieninterviews
damit, „die Sterne am Himmel zählen zu wollen“. Laut des Mäuse-Experten, der seit Wochen Workshops für Farmer abhält, um ihnen im Kampf gegen die Nager unter die Arme zu greifen, kann es ungefähr alle zehn Jahre zu einer Mäuseplage kommen. „Mäuse reagieren auf saisonale Bedingungen“, schrieb er in einem Blog der Agentur.
Die Rekordernten hätten den Tieren in diesem Jahr eine Menge extra Nahrung geboten. Für die Farmer werden die Mäuse immer mehr auch zu einem finanziellen Problem. So schätzte der Landwirtschaftsverband im April, dass ein Drittel der Farmen Verluste zwischen 50.000 und 150.000 Australischen Dollar hinnehmen müsste – umgerechnet also zwischen rund 32.000 und 95.000 Euro.
Nachdem herkömmliche Methoden wie Köder und Fallen bisher wenig Effekt gezeigt haben, plant die australische Regierung nun den Einsatz eines starken Gifts namens Bromadiolon – eine gefährliche Chemikalie, deren Verwendung eine besondere Genehmigung braucht. Doch Forscher warnen, dass dieses Gift auch eine Gefahr für Haustiere und viele andere einheimische Tiere darstellen könnte – vor allem natürlich aber für die Tiere, die Mäuse fressen.
So könnte auch die Greifvogelpopulation damit stark beeinträchtigt werden, sagte Maggie Watson, eine Forscherin der Charles-Sturt-Universität. Letztendlich könnte es sein, dass man zukünftige Mäuseplagen damit noch verschlimmern würde, denn ohne Greifvögel falle die natürliche Kontrolle der Mäuse weg. Laut Watson sind Plagen, wie die aktuelle, Teil der natürlichen ökologischen „Boom and Bust“-Zyklen (deutsch: Auf- und Abschwung) Australiens.
Die Mäuseplage sei also kein Zeichen eines unausgewogenen Ökosystems, sondern einfach eine Folge der unvorhersehbaren Regenmuster des Landes. Meist bliebe den Menschen deswegen nichts anderes übrig, als die Plage einfach „durchzustehen“. Irgendwann werde es dann auch wieder besser.