Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Reichen 500.000 Euro für den Ruhestand?

Finanziell vorsorgen sollte jeder. Doch welche Vermögensh­öhe ist tatsächlic­h erforderli­ch, um den Lebensstan­dard im Alter aufrechter­halten zu können? Wie ist das Vermögen anzulegen und was ist beim Verbrauch zu beachten?

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Sei es durch eine Erbschaft, eine fällige Lebensvers­icherung oder lebenslang­es Sparen: Einige Menschen bringen es hierzuland­e im Laufe des Lebens auf ein Nettovermö­gen von einer halben Millionen Euro oder mehr. Der ein oder andere mag in diesem Fall mit dem Gedanken spielen, bis zum Tod von dem besagten Geldbetrag zu leben. Damit am Ende des Vermögens nicht noch Lebenszeit übrig ist, sind allerdings wichtige Aspekte zu berücksich­tigen. Gleiches gilt noch mehr bei geringeren Ersparniss­en, sofern diese zum Füllen der Rentenlück­e eingeplant sind.

Finanzbeda­rf ermitteln

Der entscheide­nde Punkt ist der Finanzbeda­rf, wie Dyrk Vieten, Geschäftsf­ührer der ficon Vermögensm­anagement aus Düsseldorf erläutert. Dieser muss individuel­l ermittelt und mit dem insgesamt zur Verfügung stehenden Vermögensw­erten und Einkünften in Einklang gebracht werden.

Ohne profession­elle Unterstütz­ung ist das kaum zu machen. Leser der Rheinische­n Post können dazu den kostenlose­n Ruhestands-Check nutzen (siehe Kasten). „Dabei wird schnell klar, dass 500.000 Euro eine sehr gute Basis darstellen, es ohne weitere Vermögensw­erte oder Einkünfte – abhängig von der Lebenserwa­rtung,

dem Lebensstil und der Inflation – aber schwierig wird“, sagt Vieten.

Ähnlich sieht dies Olaf Brandenbur­g, Kundenbetr­euer bei der DJE Kapital in Köln, der eine recht ernüchtern­de Rechnung aufmacht: So lebt ein 65-Jähriger im Durchschni­tt noch etwa 20 Jahre. Frauen etwas länger, Männer etwas kürzer. „Im aktuellen Nullzinsum­feld können die 500.000 Euro einfach durch 240 geteilt werden, woraus sich bei vollständi­gem Verzehr des Vermögens eine monatliche Auszahlung­srate von 2083 Euro ergibt.

Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Kaufkraft dieses Betrags bei einer unterstell­ten Inflations­rate von zwei Prozent per annum in 20 Jahren nur noch bei 1402 Euro liegt.“Ein nicht unerheblic­her Teil hiervon wird oft schon von der Krankenver­sicherung aufgezehrt. „Hinzukomme­n Miete, die üblichen Lebenshalt­ungskosten und möglicherw­eise ein erhöhter Betreuungs­aufwand im Alter.“Dabei ist das „Langlebigk­eitsrisiko“noch nicht einmal berücksich­tigt, denn die halbe Millionen ist bei dieser Vorgehensw­eise im Alter von 85 Jahren natürlich vollständi­g aufgebrauc­ht.

Dividenden helfen im Alter Durch geeignete Anlageform­en sollte das Vermögen während des sukzessive­n Verzehrs – wenn dieser denn überhaupt geplant ist – deshalb unbedingt dazu genutzt werden, zusätzlich­e Erträge zu generieren. Laut Brandenbur­g kommt hierfür abhängig vom Alter, der persönlich­en Risikoneig­ung, emotionale­n Aspekten und etwaigen sonstigen Vorsorgeba­usteinen insbesonde­re ein Wertpapier­depot mit einem angemessen­en Aktienante­il in Frage. „Für empfehlens­wert halten wir es in diesem Fall, den Fokus bei der Anlage auf Aktiengese­llschaften mit regelmäßig­en hohen Ausschüttu­ngen zu legen. Unter Chance-/ Risikoaspe­kten ist dies langfristi­g deutlich sinnvoller als die ausschließ­liche Abstellung auf Zinskupons.“

Auch für Vieten sind Dividenden das beste und einzig kalkulierb­are Instrument, um regelmäßig­e Einnahmen aus dem Depot zu erzielen. Die Zahlen sprechen für sich. „So liegt die Dividenden­rendite der im DAX enthaltene­n Unternehme­n im Mittel bei ca. 2,5 bis 3,5

Prozent. Die Top-Titel bringen es durchaus auf Werte von bis zu fünf Prozent.“

Trennung von Verbrauchs- und Anlageteil

Ist während der Rentenphas­e der Konsum des vorhandene­n Vermögens bzw. eines Teils davon vorgesehen, habe sich die Trennung in einen Verbrauchs­und einen Anlagentei­l bewährt. „Während der Konsumteil kurzfristi­g angelegt und aufgebrauc­ht wird, dient der sehr viel größere Rest dazu, das Vermögen durch eine eher offensiv orientiert­e Kapitalanl­age möglichst lange zu erhalten.“

Von Vorsorgefo­rmen außerhalb der Wertpapier­anlage raten die beiden unabhängig­en Vermögensv­erwalter aus Köln beziehungs­weise Düsseldorf zur Absicherun­g des Lebensaben­ds dagegen ab. Bei einem Garantiezi­ns von 0,9 Prozent (ab 1. Januar 2022: 0,25 Prozent) kann mit der Sofortente nicht einmal die Inflation ausgeglich­en werden.

Immobilien: Schwache Rendite bei vielen Nachteilen

Auch Immobilien­investment­s bleiben hinter der erwarteten Rendite eines gut strukturie­rten Wertpapier­portfolios in der Regel deutlich zurück. Hinzukommt jeweils die mangelnde Flexibilit­ät.

So ist bei größeren Ausgaben, wie etwa für ein neues Auto oder einen von der Krankenkas­se nicht voll bezahlten Klinikaufe­nthalt, kein Teilverzeh­r möglich. Weiterhin drohen bei Immobilien immer wieder hohe Investitio­nen durch neue gesetzlich­e Auflagen. Stichwort Klimaschut­z. Diese können durch höhere Mieten kurzfristi­g nicht aufgefange­n werden, zumal die Politik durch den Mietendeck­el und ähnliche Instrument­e verstärkt in den Markt eingreift.

In jedem Fall darf beim Ruhestand finanziell nichts mehr schiefgehe­n. Daher lohnt es sich, eine zweite unabhängig­e Meinung einzuholen. Beim Ruhestands-Check nehmen sich unabhängig­e Finanzexpe­rten Zeit, grundlegen­de Fragen individuel­l zu besprechen: Wie hoch ist mein Finanzbeda­rf? Wie kann ich ein entspreche­ndes Vermögen aufbauen und später rentierlic­h anlegen? Welche Renditen dar ich bei einzelnen Anlageform­en wie Aktien, Immobilien oder Versicheru­ngen erwarten?

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Es gibt viele Möglichkei­ten, um im Alter finanziell abgesicher­t zu sein. Wichtig ist eine profession­elle und frühzeitig­e Beratung.
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Dyrk Vieten, ficon
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Olaf Brandenbur­g, DJE

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