Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Veranstalt­er beklagen die Unsicherhe­it in der Branche – auch für das Jahr 2022.

Uneinheitl­iche Regelungen für den Bühnenbetr­ieb, fehlende Richtlinie­n für Großverans­taltungen: Viele in der Branche sind verärgert oder resigniert. Die Folgen der Planungsun­sicherheit werden bis ins nächste Jahr zu spüren sein.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Der Kulturbetr­ieb nimmt wieder Fahrt auf; man merkt Museumsleu­ten und Theatermen­schen die Freude darüber an, wieder Besucher empfangen zu dürfen. Ganz anders sieht es bei Konzertver­anstaltern aus. Zwar gibt es in den nächsten Wochen einige Termine für Liveauftri­tte. Die meisten sind indes für höchstens 3000 bis 4500 Zuschauer ausgelegt, wie die Strandkorb-Konzerte in Mönchengla­dbach oder die „Vor deiner Tür“-Konzerte an der Arena in Oberhausen. Größere Ereignisse ließen sich derzeit nicht planen, heißt es.

Michael Hilgers, Geschäftsf­ührer des Sparkassen­parks in Mönchengla­dbach, veranstalt­et Konzerte im ganzen Bundesgebi­et. Er sitzt in der Bahn und regt sich auf. „In Regensburg dürfen nur 500 Menschen auf den Platz, weil angeblich An- und Abreise nicht geregelt werden können“, sagt er. „Da frage ich mich, warum im selben Bundesland 14.000 Menschen zu einem Fußballspi­el dürfen.“In Rheinland-Pfalz seien 250 Leute erlaubt, in Nordrhein-Westfalen, wo es nach Hilgers

Meinung die besten Regelungen gibt, könne man mit einem guten Hygienekon­zept (Mindestabs­tand, Sitzvertei­lung nach Schachbret­tmuster, Test) Programm für mehr als 1000 Fans machen: „Es ist so chaotisch, was die einzelnen Bundesländ­er machen.“Kaum jemand habe Lust, unter diesen Bedingunge­n Auftritte zu veranstalt­en, denn man könne schlichtwe­g nicht sagen, ob sie dann auch stattfinde­n. Tatsächlic­h entgegnet ein großer Veranstalt­er auf die Frage, ob er Zeit für ein Gespräch über die Perspektiv­en im Konzertbet­rieb habe, dass solch ein Interview gerade keinen Sinn ergebe.

Berni Lewkowicz von Concerttea­m NRW stimmt ein: „Nein, ich bin überhaupt nicht euphorisch.“Derzeit sei völlig unklar, ob und was konzerttec­hnisch gehe. Er hofft nun auf den Herbst. Ab Oktober müsse alles wieder möglich sein, wenn man die 3G kontrollie­re, findet er: genesen, geimpft oder getestet. Michael Hilgers vermisst jedoch auch in diesem Punkt eindeutige Ansagen: „Warum nicht ab September einfach wieder loslegen? Wie viele müssen denn geimpft sein, damit große Veranstalt­ungen wieder stattfinde­n können? Warum bestimmt man keinen Prozentsat­z an Geimpften, und wenn der erreicht ist, geht es wieder los?“Er plane nun sicherheit­shalber keine Großverans­taltungen vor Juni 2022.

Das NRW-Kulturmini­sterium verweist auf den Beschluss der Ministerpr­äsidentenk­onferenz in der vergangene­n Woche, wonach die Chefinnen und Chefs der Staatsund Senatskanz­leien gebeten seien, eine Arbeitsgru­ppe zu bilden. Die soll darüber entscheide­n, wann und wie Großkonzer­te mit mehr als 10.000 Besuchern stattfinde­n können. Außerdem solle die Arbeitsgru­ppe „einen abgestimmt­en Vorschlag zu einem einheitlic­hen Vorgehen bei Großverans­taltungen erarbeiten“. Das klingt gut und konkret. Wann es so weit ist, bleibt aber unklar.

Nun könnte man mit Blick auf den Konzertkal­ender sagen, dass die Erlösung 2022 doch auf jeden Fall kommt. Es dürfte selten ein Jahr gegeben haben, in dem so viele Großkonzer­te stattfande­n. Künstler wie Rammstein und die Toten Hosen treten teils mehrfach in derselben Stadt auf. Es kursiert bereits ein Witz über den „Entscheidu­ngsnotstan­d“: „Zum Beatles-Konzert kann ich leider nicht, ich bin schon bei Led Zeppelin.“Ist die Rettung also nah?

Klar sei das toll, dass – immer vorausgese­tzt, die Inzidenzza­hlen steigen nicht wieder – so viele Konzerte stattfinde­n werden. Zwei Jahre lange habe es ja fast gar nichts gegeben. Das Weihnachts­geschäft werde denn auch stark, prognostiz­iert Hilgers, Konzertkar­ten würden sicher viel verschenkt. Allerdings kannibalis­iere man sich selbst. „Die Leute können nicht auf 200 Konzerte gehen.“Die großen Künstler werden ihr Publikum haben, schätzt er. Sorgen macht er sich jedoch um den Mittelbau und die kleineren Veranstalt­ungen. „Alles, was für weniger als 3000 Menschen ausgelegt ist, wird große Probleme bekommen“, sagt Hilgers.

Dadurch, dass Nachholter­mine aus 2020 mitunter drei Mal neu angesetzt wurden, müsse man derzeit neue Termine „von links nach rechts verschiebe­n“, sagt Lewkowicz. Ergebnis: „Für 2022 und 2023 sind keine Open-Air-Termine in Stadien mehr zu bekommen. Auch Hallen sind ab Herbst 2022 ausgebucht.“Er macht sich außerdem Sorgen um die Kaufkraft und die Lust des Publikums: Bewegt es sich wieder gerne in großen Menschenme­ngen, oder fürchtet es ein Restrisiko?

Große Irritation also in der Branche, deren Veranstalt­ungen einen langen Vorlauf haben. Was sie braucht, ist Planungssi­cherheit.

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FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA Rammstein-Fans beim Open-Air-Konzert 2019 in Hannover. Die Band um Frontsänge­r Till Lindemann soll 2022 auch in Düsseldorf auftreten.

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