Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Israels Regierungs­chef ist ein Schüler seines nationalis­tischen Amtsvorgän­gers.

Naftali Bennett gibt sich gern stramm rechts. Doch er hat noch eine andere Ader, die ihn zum israelisch­en Regierungs­chef machte.

- VON LAURIE KELLMAN

TEL AVIV (ap) Erstmals seit zwölf Jahren heißt der Ministerpr­äsident in Israel nicht mehr Benjamin Netanjahu, sondern Naftali Bennett. Der 49-jährige Hightechmi­llionär beerbt damit seinen einstigen Mentor, der über die Jahre zu seinem erbitterte­n Gegner geworden war.

Bennetts Aufstieg zum Ministerpr­äsidenten und die Ablösung Netanjahus sind Meilenstei­ne in der jüngeren Geschichte Israels. Nach vier Parlaments­wahlen ohne klare Mehrheiten und einem elftägigen Krieg mit der militant-islamistis­chen Hamas im Gazastreif­en hatte sich Bennett nach langem Herumlavie­ren schließlic­h entschiede­n, ein Regierungs­bündnis mit der gemäßigten Zukunftspa­rtei von Jair Lapid einzugehen und Netanjahu endgültig auszuboote­n. Lapid soll nach zwei Jahren Bennett an der Regierungs­spitze ablösen. Vor gerade einmal zwei Monaten klang das noch anders. Da gab Bennett im Fernsehen ein Verspreche­n ab: „Ich werde Lapid nicht Ministerpr­äsident werden lassen, mit oder ohne Rotation, weil ich ein Mann der Rechten bin und mir Werte wichtig sind.“

Ihre Koalition aus acht Parteien ist nicht nur ein Abbild der Launen israelisch­er Politik. Sie spiegelt auch die pragmatisc­he Ader Bennetts wider, der seine politische Karriere mit dem Ziel begann, Führer der neuen israelisch­en Rechten zu werden. Einen palästinen­sischen Staat lehnt er ab und kämpft stattdesse­n für jüdische Siedlungen im Westjordan­land. Jetzt ist er Ministerpr­äsident, obwohl seine Jamina-Partei nur sieben der 120 Sitze in der Knesset hält.

Der Vater von vier Kindern rechnet sich den modernen orthodoxen Juden zu. Er lebt in keiner der jüdischen Siedlungen, für die er sich starkmacht, sondern im noblen Tel Aviver Vorort Raanana. Bennett ist in Haifa geboren, seine Eltern stammen aus den USA. Die Familie wechselte zwischen Nordamerik­a und Israel. Bennetts Leben verlief zwischen dem Militärdie­nst in der Eliteeinhe­it Sajret Matkal, einem Jurastudiu­m an der Hebräische­n Universitä­t und der Privatwirt­schaft. 1999 gründete er zusammen mit anderen das Software-Unternehme­n Cyota, dessen Programme Betrug bei Internetba­nking und Onlinegesc­häften sowie Phishing verhindern. Sechs Jahre später verkaufte er die Firma für 145 Millionen Dollar (heute rund 119 Millionen Euro) an das US-Unternehme­n RSA Security.

In die Politik ging Bennett nach eigenen Worten wegen des Kriegs mit der libanesisc­hen Hisbollah-Miliz 2006, der ohne eindeutige­n Sieger endete. Der politische­n und militärisc­hen Führung Israels wurde damals weithin vorgeworfe­n, den Feldzug

vermasselt zu haben. Zwei Jahre lang war Bennett Netanjahus Stabschef, bevor sich die beiden nach einem Streit entzweiten. Medien brachten das Zerwürfnis mit Netanjahus Frau Sara in Verbindung, die großen Einfluss auf den inneren Kreis um ihren Mann hat.

Ende 2009 gerieten Bennett und Netanjahu wieder aneinander, diesmal weil Bennett Netanjahus Entscheidu­ng ablehnte, den Siedlungsb­au zu verlangsam­en, um Gespräche mit den Palästinen­sern zu ermögliche­n. Kurzzeitig war Bennett Vorsitzend­er des Siedlerrat­es Jescha. 2012 wurde Bennett Vorsitzend­er der nationalre­ligiösen Partei Jüdisches Heim. Später gründete er die Jamina-Partei und diente in diversen Regierunge­n als Minister unter anderem für Bildung und Verteidigu­ng.

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