Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Ein brüchiges Bündnis
Als erfolgreichstes Bündnis der Geschichte feierten die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Nato-Gipfel in Brüssel die nordatlantische Allianz. Zumindest hat sie die Zeiten erst einmal überstanden, in denen die USA als mit Abstand einflussreichste Kraft die Nato in den Trump-Jahren infrage stellten und selbst in Europa der Verdacht aufkam, die Nato sei bereits „hirntot“. Sie brauchte zur Revitalisierung nur eine kleine Eigenbluttherapie: Die alte Nato-Stütze Joe Biden als neuer US-Präsident bewirkte eine schlagartige Stärkung des Selbstwertgefühls. Allerdings: Die Versicherung Bidens zu mehr Nato versagte gleich beim Afghanistan-Rückzug, den die Partner sicher erst mit ihm hätten beraten wollen, bevor sie vor vollendete Tatsachen gestellt wurden.
Zukunftsfest ist die Nato damit noch lange nicht. Sie wollte Sicherheit neu denken und hatte richtig erkannt, dass Klimawandel und Epidemien die Freiheitsrechte und die politische wie wirtschaftliche Sicherheit der Mitgliedstaaten stärker treffen können als klassische militärische Konflikte. Aber Corona hatte die Nato nicht auf dem Schirm – und die Bedeutung des Klimaschutzes träufelt nur sehr langsam in die Nato-Agenda. Und was die gemeinsame Antwort auf russische Bedrohungen und chinesische Herausforderungen betrifft, sind die Nato-Staaten mit widersprüchlichen Konzepten auf dem Weg.
Die Nato wird noch intensiver nach ihrer Rolle suchen müssen. Sie hat ihre Verantwortung längst über das klassische „zu Land, zu Wasser und in der Luft“hinaus auf den Weltraum und die Cyber-Sphären ausgedehnt, muss dafür aber ihre Instrumente und Regeln nachschärfen. Ob Deutschland Teil des Problems oder Teil der Lösung sein wird, hat letztlich auch mit dem Ausgang der Bundestagswahl zu tun.
BERICHT DIE TRUMP-JAHRE VERBLASSEN, POLITIK