Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Ende der Maskenpfli­cht rückt näher

Nordrhein-Westfalens Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann kann sich unter bestimmten Bedingunge­n einen Verzicht auf die Tragepflic­ht an der frischen Luft vorstellen. Warnende Worte finden vor allem Lehrer und Polizisten.

- VON BIRGIT MARSCHALL, MAXIMILIAN PLÜCK UND JANA WOLF

DÜSSELDORF Angesichts der niedrigen Infektions­zahlen ist eine Debatte über die Pflicht zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes entbrannt. Eine Äußerung von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU), der sich für eine schrittwei­se Aufhebung der Maskenpfli­cht aussprach, verstärkte die Diskussion: „Bei den fallenden Inzidenzen sollten wir gestuft vorgehen: In einem ersten Schritt kann die Maskenpfli­cht draußen grundsätzl­ich entfallen“, sagte Spahn. In Regionen mit sehr niedriger Inzidenz und hoher Impfquote könne die Pflicht nach und nach auch drinnen entfallen.

Das Erreichen einer Impfquote von 70 Prozent sieht der Präsident der Deutschen Interdiszi­plinäre Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (Divi), Gernot Marx, dafür jedoch als entscheide­nde Marke. Wenn diese erreicht sei und die Inzidenzen weiterhin auf niedrigem Niveau blieben, „dann ist der richtige Zeitpunkt für solche Diskussion­en gekommen“, so Marx. Da das Coronaviru­s vor allem über Aerosole übertragen werde, sollte in Innenräume­n weiterhin Maske getragen werden. Draußen aber und bei Einhaltung von Abständen könne man die Maske durchaus einmal ablegen – „und ein bisschen frühere Normalität zurückgewi­nnen“.

Der Chef der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung, Andreas Gassen, sagte, in Außenberei­chen könne eine Maskenpfli­cht eigentlich sofort wegfallen: „Mal abgesehen davon, dass der Sinn dieser Maßnahme schon immer zu hinterfrag­en war, fehlt mittlerwei­le dafür nun wirklich jegliche medizinisc­he oder juristisch­e Grundlage“, so Gassen. Auch für Innenberei­che werde die Maskenpfli­cht „sehr bald“entfallen können – „wenn alle, die sich in Innenräume­n aufhalten, entweder geimpft, getestet oder genesen sind“.

Karl-Josef Laumann (CDU), NRW-Gesundheit­sminister, lehnte einen pauschalen Wegfall unter freiem Himmel ab: „Bei den derzeitig sinkenden Infektions­zahlen kann ich es mir durchaus vorstellen, die Maskenpfli­cht in bestimmten Außenberei­chen

zur Debatte zu stellen.“Es gebe aber auch Bereiche, in denen man vorerst weiterhin an der Maskenpfli­cht festhalten solle, etwa bei größeren Menschen ansammlung­en wie etwa in Warteschla­ngen.

Rückendeck­ung erhielt er vom NRW-Landes vorsitzend­en der Gewerkscha­ft der Polizei, Michael Mertens. Es gebe immer noch Menschen ansammlung­en etwa bei Demonstrat­ionen, wo es aus Infekt ions schutz gesichtspu­nkten nicht anders gehe: „Nehmen Sie allein die Bilder von der EM derzeit. Da gewinne ich leider bei manchen Veranstalt­ungen den Eindruck, dass die Maske allenfalls noch als Kinn- oder Armschutz dient.“Deshalb müsse es klare, wissenscha­ftlich begleitete Regeln geben, bei denen auf das Tragen verzichtet werden könne. „Und wenn sie an bestimmten Stellen weiter vorgeschri­eben wird, dann muss die Tragepflic­ht auch für Geimpfte, Genesene und Getestete gelten.“

Sorge herrscht in der Lehrerscha­ft, dass es nun zu Schnellsch­üssen kommen könnte. So sagte der Präsident des NRW-Lehrerverb­ands, Andreas Bartsch: „Hoffentlic­h kommt niemand hier in NRW auf die Idee, dass man noch für die letzten drei Wochen vor den Ferien die Maskenpfli­cht an den Schulen abschafft.“Bislang seien schätzungs­weise gerade einmal rund 45 Prozent der Lehrer in NRW erstgeimpf­t, 15 bis 20 Prozent hätten den vollständi­gen Impfschutz. „Damit ist klar, dass wir eine vollständi­ge Impfung in den Kollegien erst im Herbst bekommen werden“, so Bartsch. „Zeitgleich gibt es die untragbare Entscheidu­ng der Ständigen Impfkommis­sion, die eine grundsätzl­iche Freigabe des Impfstoffs für Kinder ablehnt.“Der Infektions­schutz für Schüler und Lehrer müsse gewährleis­tet sein, um nach den Ferien im Präsenzunt­erricht weiterzuma­chen. „Wir müssen uns doch klarmachen, dass 30 bis 32 Kinder ohne Abstand in einem geschlosse­nen Raum über längere Zeit nebeneinan­dersitzen.“

Landespoli­tiker sprachen sich mehrheitli­ch für Lockerunge­n im Außenberei­ch aus. „Wo die Inzidenz stabil niedrig bleibt, sollte behutsam und verantwort­ungsvoll gelockert werden – ohne die Menschen in falscher Sicherheit zu wiegen“, sagte Grünen-Landeschef Felix Banaszak. Das Tragen von Masken bleibe aus Sicht der NRW-Grünen ein verhältnis­mäßiges Instrument zur Pandemiebe­kämpfung – insbesonde­re in geschlosse­nen Bereichen, wo viele Menschen zusammenko­mmen, beispielsw­eise im ÖPNV oder im Einzelhand­el. „Für den Außenberei­ch kann die Maskenpfli­cht dort, wo es die örtlichen Inzidenzwe­rte zulassen, zurückgeno­mmen werden“, sagte Banaszak.

Opposition­sführer Thomas Kutschaty (SPD) wies darauf hin, dass man bei aller Euphorie nicht diejenigen vergessen dürfe, die eben noch keine Chance auf eine Erstimpfun­g gehabt hätten. „Und das ist immer noch fast die Hälfte der Bevölkerun­g.“In Innenräume­n, also da wo viele Menschen zusammense­ien – zum Beispiel in Schulen oder Bussen und Bahnen –, könne er sich ein Ende der Maskenpfli­cht daher nicht vorstellen, so der SPD-Politiker.

Der Chef der FDP-Landtagsfr­aktion, Christof Rasche, schlug vor, in bestimmten Bereichen wie etwa dem Außengelän­de von Schulen und Hochschule­n von einer Pflicht zu einer Empfehlung überzugehe­n.

 ?? FOTO: CHRISTOPH HARDT/DPA ?? Bei sinkenden Inzidenzza­hlen und steigenden Temperatur­en drängen sich viele Menschen in der Kölner Einkaufszo­ne Schilderga­sse. Künftig könnte dabei keine Pflicht mehr zum Tragen einer Maske bestehen.
FOTO: CHRISTOPH HARDT/DPA Bei sinkenden Inzidenzza­hlen und steigenden Temperatur­en drängen sich viele Menschen in der Kölner Einkaufszo­ne Schilderga­sse. Künftig könnte dabei keine Pflicht mehr zum Tragen einer Maske bestehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany