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Nach dem Finale der French Open wurde es nicht nur für Sieger Novak Djokovic emotional – auch für seinen Gegner.

Der neue French-Open-Sieger denkt darüber nach, was in diesem Jahr für ihn an Erfolgen noch alles möglich ist. Sein unterlegen­er Gegner Stefanos Tsitsipas trauert um seine Oma und findet bewegende Worte.

- VON ROBERT SEMMLER

PARIS (dpa) Novak Djokovic träumte, Stefanos Tsitsipas trauerte. Während Djokovic nach seinem großen Triumph in Paris bislang Unerreicht­es im Herren-Tennis anstrebt, erinnerte Final-Verlierer Tsitsipas daran, dass das Leben einen tieferen Sinn hat. Der nach dem mehr als vierstündi­gen Endspiel untröstlic­h wirkende Grieche machte in der Nacht zum Montag öffentlich, dass unmittelba­r vor dem Betreten des Court Philippe Chatrier seine Großmutter starb.

In einem emotionale­n Instagram-Post betrauerte der 22-Jährige mit philosophi­schen Worten seine geliebte Omi. „Im Leben geht es nicht ums Gewinnen oder Verlieren. Es geht darum, jeden einzelnen Moment zu genießen, egal ob allein oder mit anderen“, schrieb Tsitsipas. „Trophäen in die Luft zu stemmen und Siege zu feiern ist etwas, aber nicht alles.“

Fünf Minuten vor dem Endspiel, in dem er nach einer 2:0-Satzführun­g auf seinen bislang größten Erfolg zuzusteuer­n schien, habe seine Großmutter ihren Kampf mit dem Leben verloren. „Eine weise Frau, deren Glauben ans Leben und deren Willen zu geben und zu versorgen, mit keinem anderen Menschen verglichen werden kann, den ich je getroffen habe“, erklärte Tsitsipas. Es sei wichtig, dass es mehr solche Menschen auf der Welt gebe. „Denn Menschen wie sie erwecken dich zum Leben“, betonte er.

Der Weltrangli­sten-Vierte dankte ihr neben einem Foto von sich mit dem silbernen Tablett für den unterlegen­en Finalisten: „Ich möchte sagen, dass unabhängig vom Tag, den Umständen und der Situation alles ihr gewidmet ist und nur ihr.“Seine Großmutter habe seinen Vater aufgezogen, der auch sein Trainer ist. „Ohne ihn wäre das nicht möglich gewesen“, schrieb Tsitsipas.

Djokovic hatte während der Siegerehru­ng seine Frau und seine Kinder als größte Motivation bezeichnet – auch der 34-Jährige weiß natürlich um die wahren Dinge des Lebens. Anderersei­ts hat die Nummer eins der Welt nach dem 19. GrandSlam-Titel und erst recht der Art und Weise allen Grund, von dem zu träumen, was Steffi Graf vor 33 Jahren bei den Damen schaffte: den Golden Slam. 1988 glückte dem deutschen Tennis-Idol der Gewinn aller vier Grand-Slam-Turniere, dazu gab es den Olympiasie­g in Seoul.

„Alles ist möglich, und ich habe mich in eine gute Position für den Golden Slam gebracht“, sagte Djokovic zwei Wochen vor dem Auftakt in Wimbledon, wo er zu den

Grand-Slam-Rekordturn­iersiegern Roger Federer und Rafael Nadal aufschließ­en könnte.

Doch im selben Atemzug erinnerte er an 2016: Damals hatte Djokovic endlich den ersehnten ersten Triumph im Stade Roland Garros geholt und hielt alle vier Grand-SlamTitel zur gleichen Zeit. „Das endete mit dem Drittrunde­n-Aus in Wimbledon“,

stellte der einstige Schützling von Boris Becker trocken fest. Becker selbst sagte als Experte bei Eurosport: „Nicht von dieser Welt, was für ein Typ. Er macht Unmögliche­s möglich.“

Das Kunststück, die vier wichtigste­n Turniere in einem Kalenderja­hr für sich zu entscheide­n, glückte bei den Herren bislang nur dem Amerikaner Donald Budge 1938 und dem Australier Rod Laver 1962 und 1969. „Niemand ist wie Novak Djokovic!“, stellte die serbische Zeitung „Politika“am Montag fest. Und „Kurir“jubelte: „Unzerstörb­ar! Nach dem Sieg in Paris ist Novak auf dem Weg, der beste Spieler in der Geschichte des Tennis zu werden.“Der nicht bei allen Fans populäre Belgrader, der in der Corona-Krise mitunter keine gute Figur abgab, könnte schon nach den US Open mit dann 21 Grand-Slam-Titeln Federer und Nadal überflügel­t haben.

Tsitsipas bekam nach seiner Niederlage aus der Heimat viel Aufmunteru­ng. „Du hast uns über die Maßen stolz gemacht“, schrieb „Ta Nea“, und „Live Sport“betonte: „Du bist die Nummer 1 in unseren Herzen“- Trost, den Tsitsipas wohl nötiger hatte, als zunächst zu ahnen war.

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FOTO: THIBAULT CAMUS/AP Sieger und Verlierer vereint: Der French-Open-Gewinner Novak Djokovic (r.) und sein Finalgegne­r Stefanos Tsitsipas umarmen sich, nachdem sie ihre Trophäne bekommen haben.

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