Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Neues Ringen um die Pendlerpau­schale

Ökonomen halten nichts von Armin Laschets Plan, die Steuerverg­ünstigung zu erhöhen. Das sei als Instrument des sozialen Ausgleichs ungeeignet, sagt RWI-Chef Schmidt. Profitiere­n würden eher Gutverdien­er, so IfW-Chef Felbermayr.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Die Union sorgt sich darum, dass der Klimaschut­z zu sozialen Belastunge­n führt. „Die Energiewen­de muss sozialvert­räglich sein. Das fehlt mir bei den Grünen“, hatte CDU-Chef und Kanzlerkan­didat Armin Laschet der „Bild am Sonntag“gesagt. Um den Klimaschut­z sozialvert­räglich zu gestalten, will Laschet auch die Folgen der steigenden CO2-Preise abmildern: Steigende Benzinprei­se will der NRW-Ministerpr­äsident mit einer höheren Pendlerpau­schale ausgleiche­n. „Wer auf dem Land lebt und auf das Auto angewiesen ist, um zur Arbeit zu kommen, darf keinen Nachteil erleiden“, so Laschet. Wenn der Benzinprei­s durch die CO2-Bepreisung steige, müssten die Mehrkosten durch eine höhere Pendlerpau­schale ausgeglich­en werden.

Ökonomen und Klimaschüt­zer halten nichts von Laschets Vorstoß. Denn der steigende Preis für den Ausstoß von CO2 soll die Bürger ja gerade zu klimafreun­dlichem Verhalten und zu Investitio­nen in emissionsa­rme Mobilität animieren – sei es, indem sie für den Weg zur Arbeit auf die Bahn, sei es, indem sie aufs Elektroaut­o umsteigen.

Christoph Schmidt, Präsident des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaft­sforschung in Essen, hält Laschets Vorschlag denn auch für ungeeignet: „Die Erhöhung der Pendlerpau­schale ist aus meiner Sicht als Instrument des sozialen Ausgleichs weniger geeignet“, sagte er unserer Redaktion. „Es ist zwar grundsätzl­ich richtig, bei der CO2-Bepreisung an die Kompensati­on vor allem der einkommens­schwächere­n Haushalte zu denken. Denn nur so werden die zur Erfüllung der ambitionie­rten Klimaziele erforderli­chen höheren CO2-Preise für die Mehrheit der Bevölkerun­g akzeptabel bleiben.“Aber: „Hierfür gibt es zielführen­dere Maßnahmen wie die direkte Pro-Kopf-Rückerstat­tung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Bürgerinne­n und Bürger oder die Senkung der Stromkoste­n durch eine Absenkung der EEG-Umlage.“

Zwar hat die große Koalition auch eine Senkung der EEG-Umlage beschlosse­n, wie sie Schmidt fordert. Doch das erfolgt in homöopathi­schen Dosen: Die EEG-Umlage ist zum Jahreswech­sel von 6,756 Cent auf 6,5 Cent pro Kilowattst­unde gesunken. Damit kann ein Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverb­rauch von 3500 Kilowattst­unden gerade einmal neun Euro im Jahr einsparen. Das ist für einen Sozialausg­leich zu wenig.

Auch ein anderer Top-Ökonom winkt bei Laschets Vorstoß ab. „Von einer Anhebung der Pendlerpau­schale würden primär höhere Einkommens­gruppen mit höheren Steuersätz­en profitiere­n“, sagte Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtsc­haft, unserer Redaktion. Denn bei ihnen wirkt sich eine höhere Pendlerpau­schale besonders stark steuersenk­end aus. Felbermayr schlägt wie Schmidt einen anderen Weg vor:

„Für den sozialen Ausgleich wäre eine Pro-Kopf-Rückerstat­tung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung der richtige Schritt. Einkommens­schwachen Haushalten bringt dies relativ mehr als einkommens­starken, was die politische Akzeptanz der CO2-Bepreisung zusätzlich stärken dürfte.“

Schon mit dem Steuergese­tz zum Klimapaket 2019 hatte die große Koalition – gegen die Empfehlung von Experten – eine Erhöhung der Pendlerpau­schale beschlosse­n: In diesem Jahr wurde sie auf 35 Cent angehoben. Ab 2024 steigt sie für eine Dauer von drei Jahren um weitere drei Cent auf dann insgesamt 38 Cent pro Kilometer ab dem 21. Entfernung­skilometer. So soll die Preiserhöh­ung von Diesel und Benzin abgefedert werden, die der steigende CO -Preis mit sich bringt.

Schon jetzt wird Tanken teurer: Im Mai waren die Benzinprei­se in Deutschlan­d auf den höchsten Stand seit zwei Jahren geklettert. Im Mai kostete ein Liter Super E10 laut ADAC im Schnitt 1,48 Euro. Die Mineralölk­onzerne reichen die CO2-Abgabe an die Kunden weiter, und diese steigt von Jahr zu Jahr.

Derzeit liegt der Preis für eine Tonne CO2 bei 25 Euro. Er soll bis 2025 schrittwei­se auf bis zu 55 Euro steigen. Bis Ende des Jahrzehnts werde der Preis sogar über 100 Euro steigen müssen, davon gingen alle Experten aus, sagte der Präsident des Bundesumwe­ltamtes, Dirk Messner, im Deutschlan­dfunk. Er verteidigt­e den Anstieg: Ohne eine solche Anhebung wirke der Preis wie eine Subvention der fossilen Energieträ­ger, die viele Umweltschä­den anrichtete­n. Gegen diese verzerrte Preiskonst­ellation „anzuförder­n“, koste die Bürger dann wirklich viel Geld.

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FOTO: JOCHEN TACK/DPA Viel Verkehr zur Rush Hour: In der Metropolre­gion Rhein-Ruhr sind, wie hier auf der A40 in Essen, besonders viele Pendler unterwegs.

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