Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Neue Zitterpartie um S-Bahn-Betreiber Abellio
Die Tochterfirma der niederländischen Staatsbahn droht indirekt mit ihrer Insolvenz. Betroffen wären viele NRW-S-Bahnen.
DÜSSELDORF/BERLIN Nachdem die Verkehrsverbünde in NRW mehr als ein Jahr Corona-Krise hinter sich haben, droht das nächste große Problem: Das gerade für das S-BahnNetz sehr wichtige Unternehmen Abellio droht praktisch mit der eigenen Insolvenz, um höhere Zahlungen durch die Politik in NRW und in vier anderen Bundesländern durchzusetzen.
Abellio ist Ableger der niederländischen Staatsbahn, die dem Nachbarland gehört. Nachdem Abellio in den Jahren 2019 und 2020 hohe Verluste einfuhr, schrieb nun der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra an die Ministerpräsidenten von NRW und vier anderen Bundesländern,
bis zum 25. Juni müssten nun endlich höhere Finanzmittel zugesagt werden. Die „NRZ“berichtete zuerst von dem Brief, informierte Kreise bestätigen den Inhalt. Die Gespräche über höhere Zahlungen an die Bahnunternehmen laufen schon seit vielen Monaten.
Abellio erklärte auf Anfrage unserer Redaktion, eine Aufgabe des Geschäfts sei doch nicht geplant: „Abellio fährt weiter. Abellio in Deutschland ist gewillt, seine langfristig eingegangenen Vertragsbeziehungen nach bestem Wissen und Gewissen im Interesse aller Fahrgäste zu erfüllen“, hieß es. Allerdings gäbe es wichtige Ausgaben, die den Betrieb der Züge sehr viel teurer machten als ursprünglich geplant. So müsse das Unternehmen hohe Strafzahlungen wegen Verspätungen leisten, obwohl diese nur am schlechten Zustand der Gleise liegen, die der Bahn-Ableger DB Netz zu verantworten habe.
Das Land erklärt, es gehe bald von einem Kompromiss bei den Zahlungen
aus. Es erwarte aber auch, dass die Muttergesellschaften der hiesigen Bahnbetriebe weiterhin zu ihren bei Vertragsabschluss abgegebenen Patronatserklärungen stehen, sprich: Ein Konkurs wäre Vertragsbruch. Dies bedeutet, Abellio könnte die Verträge über den Betrieb vieler Bahnen wie der S 2, S 3, S 9, RB 32, RB 40 oder des RE 49 gar nicht kündigen. Auch die RRX-Linie von Aachen nach Hamm wird von Abellio betrieben, ebenso wie die „Emscher-Niederrhein-Bahn“genannte RB 35. Außerdem heißt es in Branchenkreisen, Abellio habe sich die Verluste teils selbst zuzuschreiben: Das Unternehmen habe die Ausschreibungen zum Betrieb vieler Zuglinien nur dank Dumpingpreisen gewonnen.
Indirekter Profiteur des Streits ist die von Frederik Ley geführte DB Regio in NRW. Falls es Aufschläge für den Betrieb von Zügen geben würde, könnte die Tochterfirma des Staatskonzerns Bahn davon profitieren. Falls Abellio aber aufgibt, könnte der Verlust von Strecken wettgemacht werden. Eine Sprecherin von DB Regio NRW erklärt, man stünde generell als Stabilisator des Sytems bereit.
Die Grünen in der Verbandsversammlung des VRR fordern das Land NRW auf, aktiv zu werden. Ihr Fraktionschef Norbert Czerwinski sagt: „Wenn die niederländische Regierung sich nun an die fünf Bundesländer gewandt hat, in denen Abellio aktiv ist, sollte man dies ernst nehmen.“