Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Der Schock in der Region sitzt tief
Nach dem Eriksen-Drama bei der Fußball-EM machen sich Clubs Gedanken über Maßnahmen.
REMSCHEID Dieser Moment erschütterte, ließ niemanden kalt. Als Christian Eriksen im EM-Spiel zwischen Dänemark und Finnland nach einer guten halben Stunde ohne Fremdeinwirkung zusammenbrach, musste man das Schlimmste befürchten. Weinende Mannschaftskameraden, Ärzte, die um das Leben des Fußballers kämpften – diese Bilder wird niemand vergessen. Dass der Spieler gerettet wurde und sich auf dem Weg der Besserung befindet, ist die bislang beste Nachricht dieser Fußball-Europameisterschaft.
Wir fragen uns: Was würde passieren, wenn ein Sportler in unserer Region bei einem Spiel oder im Training plötzlich einen solchen gesundheitlichen Schaden nehmen würde? Wie wären die Vereine gerüstet? Eine Analyse.
Wie haben einzelne Trainer, Sportler und Funktionäre die Situation erlebt? Alle waren schockiert. Panther-Manager Frank Lorenzet sagt: „Das war höchst emotional für mich. Ich musste den Fernseher ausmachen, weil es mich sehr berührt hat.“Thorsten Greuling, Zweiter Vorsitzender und Geschäftsführer des FC Remscheid, dachte spontan ein Stück weiter: „Ich habe mich gefragt, was wir tun würden, wenn so etwas mal bei uns passieren sollte.“Auch bei Kalle Fleischer, Fußball-Chef des SV 09/35 Wermelskirchen, hinterließen die Fernsehbilder tiefen Eindruck: „Das war ganz, ganz schlimm für mich.“
Sind die Clubs auf den Fall der Fälle vorbereitet, haben beispielsweise lebensrettende Defibrillatoren griffbereit? In den meisten Fällen lautet die Antwort nein. Was ja auch schwierig genug wäre. Ein akuter
Notfall muss nicht zwangsläufig bei einem Meisterschaftsspiel eintreten. Es kann auch im Training passieren – von der Jugend bis zu den Alten Herren. Und nicht unbedingt in der Halle oder auf dem Sportplatz. Wie würde man handeln, wenn beim Waldlauf in der Vorbereitung plötzlich jemand umkippt? „Wir haben am Dienstag Vorstandssitzung“, berichtet FCR-Mann Greuling. „Da sollte dieses Thema dringend mit auf die Tagesordnung.“Fleischer weiß von der Defibrillator-Pflicht bei internationalen Turnieren. „Wenn wir unsere große Veranstaltung im Nachwuchsbereich ausrichten, müssen wir das garantieren.“Im Stadion sei ihm aber nichts davon bekannt: „Deshalb werden wir uns nun unter Hochdruck darum bemühen.“An einen ähnlichen Fall vor rund 20 Jahren in der Schwanen-Halle erinnert sich Frank Lorenzet: „Da war das schon ein großes Thema und wurde angeregt diskutiert.“Eine Lösung ist bis heute im Amateurbereich nicht gefunden worden. Lorenzet verweist auf die immensen Kosten und fragt zudem: „Wo will man da die Grenze ziehen? Dann müsste man auch im Kino und bei jeder Kulturveranstaltung solch eine medizinische Unterstützung sicherstellen.“Bei der IGR Remscheid sieht man sich ein wenig in einer Luxussituation. Welcher Verein kann schon von sich behaupten, bei den Männer- und Frauen-Teams Mannschaftsärzte an Bord zu haben. Mit Volker Peinke und stellvertretend Tim Decius sind Doktoren bei den Meisterschaftsspielen dabei, zum Teil auch im Jugendbereich vor Ort. „Ihre Namen stehen nicht nur auf dem Papier, sondern sie sind auch wirklich da“, betont Trainer Timo Meier, der ein gelernter und praktizierender Physiotherapeut ist.
Was lehrt uns das Eriksen-Drama für unser eigenes Tun? Zunächst einmal machte es einmal mehr überdeutlich, welche unglaubliche Kraft der Sport hat. Dieses gemeinschaftliche Reagieren und Handeln von Spielern, Trainern, Fans und Schiedsrichtern im größten Moment der Not imponierte. Fast ein wenig wie in Trance wusste jeder, was zu tun war. Was das mit uns zu tun hat? Nun, wir bekommen die Möglichkeit, unsere Verantwortung für den lokalen Sport zu reflektieren. Angeschoben durch ein solch trauriges Ereignis, von welchem die ganze Welt spricht. Deshalb werden viele Vereine, nicht nur bei uns, in nächster Zeit bezüglich dieser Thematik in sich gehen. Bei den Handballern der HG Remscheid ist man froh, vor einigen Jahren auf Initiative von Ralf Hesse einen Defibrillator angeschafft zu haben. Der ist in der Halle Neuenkamp im Raum des Physiotherapeuten angebracht, musste bislang aber noch nicht zum Einsatz kommen. Die Wartungskosten werden vierteljährlich beglichen. Der Vorsitzende Bernd Pflüger erinnert daran, warum die Anschaffung seinerzeit von Hesse vorangetrieben worden war: „Ralf hatte erfahren, dass unserem Ex-Trainer Hans-Peter Müller, der beim Spiel in Gevelsberg mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen war, mit einem Defi sehr schnell geholfen werden konnte.“