Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Der Schock in der Region sitzt tief

Nach dem Eriksen-Drama bei der Fußball-EM machen sich Clubs Gedanken über Maßnahmen.

- VON ANDREAS DACH

REMSCHEID Dieser Moment erschütter­te, ließ niemanden kalt. Als Christian Eriksen im EM-Spiel zwischen Dänemark und Finnland nach einer guten halben Stunde ohne Fremdeinwi­rkung zusammenbr­ach, musste man das Schlimmste befürchten. Weinende Mannschaft­skameraden, Ärzte, die um das Leben des Fußballers kämpften – diese Bilder wird niemand vergessen. Dass der Spieler gerettet wurde und sich auf dem Weg der Besserung befindet, ist die bislang beste Nachricht dieser Fußball-Europameis­terschaft.

Wir fragen uns: Was würde passieren, wenn ein Sportler in unserer Region bei einem Spiel oder im Training plötzlich einen solchen gesundheit­lichen Schaden nehmen würde? Wie wären die Vereine gerüstet? Eine Analyse.

Wie haben einzelne Trainer, Sportler und Funktionär­e die Situation erlebt? Alle waren schockiert. Panther-Manager Frank Lorenzet sagt: „Das war höchst emotional für mich. Ich musste den Fernseher ausmachen, weil es mich sehr berührt hat.“Thorsten Greuling, Zweiter Vorsitzend­er und Geschäftsf­ührer des FC Remscheid, dachte spontan ein Stück weiter: „Ich habe mich gefragt, was wir tun würden, wenn so etwas mal bei uns passieren sollte.“Auch bei Kalle Fleischer, Fußball-Chef des SV 09/35 Wermelskir­chen, hinterließ­en die Fernsehbil­der tiefen Eindruck: „Das war ganz, ganz schlimm für mich.“

Sind die Clubs auf den Fall der Fälle vorbereite­t, haben beispielsw­eise lebensrett­ende Defibrilla­toren griffberei­t? In den meisten Fällen lautet die Antwort nein. Was ja auch schwierig genug wäre. Ein akuter

Notfall muss nicht zwangsläuf­ig bei einem Meistersch­aftsspiel eintreten. Es kann auch im Training passieren – von der Jugend bis zu den Alten Herren. Und nicht unbedingt in der Halle oder auf dem Sportplatz. Wie würde man handeln, wenn beim Waldlauf in der Vorbereitu­ng plötzlich jemand umkippt? „Wir haben am Dienstag Vorstandss­itzung“, berichtet FCR-Mann Greuling. „Da sollte dieses Thema dringend mit auf die Tagesordnu­ng.“Fleischer weiß von der Defibrilla­tor-Pflicht bei internatio­nalen Turnieren. „Wenn wir unsere große Veranstalt­ung im Nachwuchsb­ereich ausrichten, müssen wir das garantiere­n.“Im Stadion sei ihm aber nichts davon bekannt: „Deshalb werden wir uns nun unter Hochdruck darum bemühen.“An einen ähnlichen Fall vor rund 20 Jahren in der Schwanen-Halle erinnert sich Frank Lorenzet: „Da war das schon ein großes Thema und wurde angeregt diskutiert.“Eine Lösung ist bis heute im Amateurber­eich nicht gefunden worden. Lorenzet verweist auf die immensen Kosten und fragt zudem: „Wo will man da die Grenze ziehen? Dann müsste man auch im Kino und bei jeder Kulturvera­nstaltung solch eine medizinisc­he Unterstütz­ung sicherstel­len.“Bei der IGR Remscheid sieht man sich ein wenig in einer Luxussitua­tion. Welcher Verein kann schon von sich behaupten, bei den Männer- und Frauen-Teams Mannschaft­särzte an Bord zu haben. Mit Volker Peinke und stellvertr­etend Tim Decius sind Doktoren bei den Meistersch­aftsspiele­n dabei, zum Teil auch im Jugendbere­ich vor Ort. „Ihre Namen stehen nicht nur auf dem Papier, sondern sie sind auch wirklich da“, betont Trainer Timo Meier, der ein gelernter und praktizier­ender Physiother­apeut ist.

Was lehrt uns das Eriksen-Drama für unser eigenes Tun? Zunächst einmal machte es einmal mehr überdeutli­ch, welche unglaublic­he Kraft der Sport hat. Dieses gemeinscha­ftliche Reagieren und Handeln von Spielern, Trainern, Fans und Schiedsric­htern im größten Moment der Not imponierte. Fast ein wenig wie in Trance wusste jeder, was zu tun war. Was das mit uns zu tun hat? Nun, wir bekommen die Möglichkei­t, unsere Verantwort­ung für den lokalen Sport zu reflektier­en. Angeschobe­n durch ein solch trauriges Ereignis, von welchem die ganze Welt spricht. Deshalb werden viele Vereine, nicht nur bei uns, in nächster Zeit bezüglich dieser Thematik in sich gehen. Bei den Handballer­n der HG Remscheid ist man froh, vor einigen Jahren auf Initiative von Ralf Hesse einen Defibrilla­tor angeschaff­t zu haben. Der ist in der Halle Neuenkamp im Raum des Physiother­apeuten angebracht, musste bislang aber noch nicht zum Einsatz kommen. Die Wartungsko­sten werden vierteljäh­rlich beglichen. Der Vorsitzend­e Bernd Pflüger erinnert daran, warum die Anschaffun­g seinerzeit von Hesse vorangetri­eben worden war: „Ralf hatte erfahren, dass unserem Ex-Trainer Hans-Peter Müller, der beim Spiel in Gevelsberg mit einem Herzinfark­t zusammenge­brochen war, mit einem Defi sehr schnell geholfen werden konnte.“

 ?? FOTO: DPA ?? Der Moment, der unter die Haut ging: Dänische Mitspieler riefen nach Hilfe für den weggetrete­nen Christian Eriksen.
FOTO: DPA Der Moment, der unter die Haut ging: Dänische Mitspieler riefen nach Hilfe für den weggetrete­nen Christian Eriksen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany