Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Papierthea­ter ist Immateriel­les Kulturerbe

Knapp zwei Jahre nach dem Antrag von Haase wurde er von der UNESCO positiv beschieden. Die Anerkennun­g gilt für die Kunstform.

- VON WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

REMSCHEID Haases Papierthea­ter ist in Remscheid ein beliebter Treffpunkt für Menschen, die Nostalgie mögen. Das ganze Leben des Theaters – und das aus Papier und in Miniatur. Die Besucherin­nen und Besucher bei Sieglinde und Martin Haase an der Ackerstraß­e schätzen vor allem den liebevolle­n Detailreic­htum der Bühnen und Inszenieru­ngen. Natürlich hat Corona das alles in den vergangene­n Monaten eingeschrä­nkt. Aber dennoch war das Ehepaar in dieser Zeit alles andere als untätig. Das Theater ist umgebaut worden, die Sitze sind auf die andere Seite des Theaterrau­mes gewandert. Und auch das angrenzend­e Museum ist auf mittlerwei­le 25 Bühnen angewachse­n. „Darunter ist auch ein Guckkasten von 1750, das ist das älteste Stück. Die tatsächlic­hen Bühnen sind von 1880 bis 1989 – alles Originale, keine Nachbauten“, sagt Sieglinde Haase.

Eine Tatsache, die allerdings, ganz unabhängig von Corona, ihren Ursprung bereits im Jahr 2019 hatte, ist nun Ende März realisiert worden. „Wir sind als Immateriel­les Kulturerbe anerkannt worden“, sagt Sieglinde Haase voller Stolz. Wir, das heißt in diesem Falle nicht Haases Papierthea­ter alleine – sondern das Papierthea­ter als Kulturform. „Ich habe vom Drehorgelm­useum in Meinerzhag­en gehört, das den Antrag für die Drehorgel gestellt hat. Die Kulturform wurde sogar zum Weltkultur­erbe ernannt“, sagt Sieglinde Haase. Sie habe daraufhin eine Dozentin in Paderborn angerufen, die für Nordrhein-Westfalen zuständig sei. „Ich habe mich im Juli 2019 bei ihr erkundigt, die Bewerbungs­phase hatte aber bereits im April begonnen. Sie hat mich aber ermutigt, mich dennoch zu bewerben“, sagt Sieglinde Haase. Es habe sich um ein umfangreic­he Bewerbungs­verfahren

gehandelt – viele Fragen, viele Themenbere­iche, viele Informatio­nen, die abgefragt worden seien.

„Es ging dabei um die heutige Praxis des Papierthea­ters, um die Weitergabe von Wissen und Können, um Entstehung und Wandel der Kulturform, aber auch um ihre Wirkung, die Risikofakt­oren ihrer Erhaltung und den Zugang und die Beteiligun­g der Menschen an der Kulturform“, zählt Sieglinde Haase einige der Themen auf, über die sie für die Bewerbung Rechenscha­ft habe ablegen müssen. Dazu habe sie zwei Begleitsch­reiben von sachkundig­en und unabhängig­en Gutachtern beifügen müssen. „Dafür konnte ich zwei Professore­n gewinnen“, sagte Sieglinde Haase.

Die Remscheide­rin betont, dass sie Bewerbung nicht im Namen eines Vereins oder Verbandes gestellt habe, sondern als Einzelpers­on.

„Aber jeder Papierthea­terbetreib­er in Deutschlan­d hat nun etwas von der Anerkennun­g durch die UNESCO“, sagt sie. Es habe vier Bewerber aus Nordrhein-Westfalen gegeben, die im April des Vorjahres den Bescheid bekamen, dass sie Teil der 64 bundesweit­en Bewerber geworden seien. „Das hat dann wieder fast ein Jahr gedauert, in dem ich nichts mehr gehört habe. Auch Nachfragen haben da natürlich nichts gebracht“, sagt Sieglinde Haase schmunzeln­d. Schließlic­h sei Ende März dieses Jahres dann das lang ersehnte Schreiben der Kultusmini­sterkonfer­enz im Briefkaste­n gelegen. „Wegen Corona gibt es die offizielle Urkunde erst in der zweiten Jahreshälf­te, aber die Anerkennun­g haben wir schon vorliegen – und können das UNESCO-Logo auch verwenden“, sagt Sieglinde Haase.

Ein wichtiger Teil der Anerkennun­g

als Immateriel­les Kulturerbe sei die Voraussetz­ung, die Kulturform des Papierthea­ters weiterzuge­ben. „Mein Mann gibt Workshops an der Akademie am Küppelstei­n – dadurch wird das Wissen an die nachfolgen­den Generation­en weitergege­ben“, sagt Sieglinde Haase. Die Beschäftig­ung mit der Bewerbung sei zwar sehr zeitaufwän­dig gewesen, habe ihr aber auch viel Spaß gemacht. „Das waren sechs oder sieben Wochen stramme Arbeit – aber es hat sich auch sehr gelohnt“, sagt die Remscheide­rin schmunzeln­d. Und das habe sie auch beim Durchlesen des Bewertungs­schreibens der UNESCO gesehen. „Denn da habe ich gemerkt, dass dort sehr genau gelesen wurde – etwa an gewissen Formulieru­ngen, die in meiner Bewerbung nur ein einziges Mal erwähnt wurden und dann in dem Bewertungs­text auftauchte­n“, sagt Sieglinde Haase.

 ?? FOTO: JÜRGEN MOLL ?? Seit 21 Jahren spielen Sieglinde und Martin Haase Stücke in ihrem Papierthea­ter und kümmern sich auch um den Erhalt der Kunstform.
FOTO: JÜRGEN MOLL Seit 21 Jahren spielen Sieglinde und Martin Haase Stücke in ihrem Papierthea­ter und kümmern sich auch um den Erhalt der Kunstform.

Newspapers in German

Newspapers from Germany