Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Schärfer abgrenzen – von allen Extremisten
Es war Horst Seehofers letzter Verfassungsschutzbericht. Nach der Bundestagswahl werden für ihn drei Jahrzehnte in der ersten Reihe der Politik zu Ende gehen. Einer wie er denkt in diesen Wochen auch daran, mit welchen Begriffen er in Erinnerung bleiben will. Wenn er als Zusammenfassung der Sicherheitslage von einem „Alarmzustand“spricht, ist das mehr als ein Augenblicksbefund. Er lässt auch erkennen, welchen Eindruck ein Bundesinnenminister in den vergangenen Jahren angesichts vielfältiger ungefilterter Informationen von den Sicherheitsbehörden gewonnen hat. Sein Vorgänger Thomas de Maizière deutete einmal an, dass er nur verunsichern könne, wenn er alles sagen würde. Seinerzeit bezog sich das auf den islamistischen Terrorismus. Der ist derzeit aus den Schlagzeilen verschwunden, nicht aber aus der realen Bedrohung.
Und darin liegt die eigentliche Gefahr einer Wahrnehmungsfalle dieser Gesellschaft. Sie ist so weit polarisiert, dass die einen vor den 33.000 Rechtsextremisten warnen, die anderen vor den 34.000 Linksextremisten und die dritten vor 29.000 Islamisten. Das führt zu einem Erkenntnisdefizit. Natürlich ist es richtig, gegen den Rechtsextremismus vorzugehen, aber es ist töricht, dabei eine gemeinsame antifaschistische Front von der Mitte bis ganz weit links außen zu bilden. Nicht minder gefährlich ist der Schulterschluss zwischen Konservativen und Rechtsextremisten.
Es ist die unscharfe bis völlig fehlende Grenzziehung zu den Extremisten auf dem rechten, linken und religiösen Feld, die sich immer mehr als die eigentliche Gefährdung der freiheitlichen Demokratie herausstellt. „Der Feind steht rechts?“Ja. Aber das heißt nicht, dass der Freund automatisch links steht. Schauen wir lieber in die Mitte. Je weiter weg von den Islamisten und Extremisten, desto verlässlicher für die Demokratie. BERICHT CORONA RADIKALISIERT AUCH DIE MITTE, TITELSEITE