Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Lieber MO als WES
Rund 870.000 Fahrzeuge sind in NRW mit sogenannten Altkennzeichen unterwegs. Die meisten sind in den Kreisen Wesel und Borken auf den Straßen zu sehen. Für Verkehrsminister Wüst sind sie ein Zeichen der Heimatverbundenheit.
GLADBECK Gereon Lauer ist stolz, mit den drei Buchstaben GLA auf seinem Autokennzeichen durch die Gegend zu fahren. „Der Wechsel auf dieses Kennzeichen war die richtige Entscheidung. So wissen die Menschen auch in anderen Städten, woher ich genau komme“, sagt er. GLA steht für Gladbeck; davor musste er mit RE herumfahren, das steht für den Landkreis Recklinghausen, zu dem Gladbeck gehört. „Ich habe damals sofort mein Kennzeichen gewechselt“, sagt der 70-Jährige.
Im Jahr 2012 ist die Wiedereinführung früherer Kennzeichen ermöglicht worden. Seitdem haben sich in Nordrhein-Westfalen rund 870.000 Fahrzeughalter für ein Altkennzeichen entschieden, wie das nordrhein-westfälische
„Jetzt wissen die Menschen auch in anderen Städten, woher ich genau komme“
Gereon Lauer Autofahrer aus Gladbeck
Verkehrsministerium unserer Redaktion mitteilte. Das sind rund 38 Prozent mehr als im November 2017 – bei der letzten großen Zählung.
Die mit Abstand meisten Altkennzeichen kehrten im Kreis Wesel auf die Straßen zurück, wo mit MO in Moers und DIN in Dinslaken in gleich zwei Städten die Möglichkeit zum Wechsel besteht. Insgesamt 142.406 Altkennzeichen wurden im Kreis Wesel bis Juni 2021 vergeben. Auf Platz zwei folgt der Kreis Borken mit insgesamt 106.328 Altkennzeichen, dessen Autofahrer ebenfalls aus zwei Abkürzungen wählen können: AH für Ahaus oder BOR für Borken.
Die Identifikation mit den alten Kennzeichen ist nach Angaben einiger Städte größer; sie schaffen demnach Identität und sind zudem gut für die Vermarktung. Von den 28 Kreisen und kreisfreien Städten in NRW mit insgesamt 40 Altkennzeichen haben sich laut NRW-Verkehrsministerium 22 für die Wiedereinführung entschieden. „Insgesamt wurden, seitdem die Möglichkeit besteht, nach und nach insgesamt 28 Altkennzeichen reaktiviert“, so ein Sprecher des Verkehrsministeriums. Als bislang letztes Altkennzeichen wurde im Herbst 2019 für den Kreis Höxter WAR (für Warburg) wieder aktiviert.
Die Altkennzeichen waren Ende der 60er- und zu Beginn der 70er-Jahre wegen Kreisgebietsreformen abgeschafft worden; viele Landkreise und Bezirke wurden damals neu gegründet. Statt der bestehenden Kfz-Kennzeichen wurden Regionalkürzel zugewiesen wie WES statt MO in Moers und RE statt GLA in Gladbeck. Dass die alten Kennzeichen
letztlich zurückkamen, war vor allem der „Heilbronner Initiative Kennzeichenliberalisierung“zu verdanken, die zwischen 2010 und 2012 in einem Forschungsprojekt herausfinden wollte, wie die Menschen zu einer Wiedereinführung von Altkennzeichen stehen. An einer entsprechenden Umfrage nahmen rund 50.000 Personen teil. Das Ergebnis lautete: 72 Prozent wollten ihre alten Kennzeichen zurück.
Der damalige nordrhein-westfälische Verkehrsminister Harry K. Voigtsberger (SPD) war von der Rückkehr zu den alten Kfz-Kennzeichen
nicht sehr begeistert. Die neuen Nummernschilder hätten sich seit nunmehr 40 Jahren bewährt, hatte sein Ministerium damals noch argumentiert.
Der jetzige Verkehrsminister des Landes sieht das inzwischen anders: „Die Altkennzeichen sind Ausdruck von Heimatverbundenheit. Es ist schön, dass die Kennzeichen gut angenommen werden“, sagt Hendrik Wüst (CDU) zu der Erfolgsgeschichte der Altkennzeichen. „Das zeigt, dass sich die Menschen stark mit ihrer Heimat identifizieren.“Nach Angaben des Portals Kennzeichenbox.de
haben bisher zwölf Bundesländer Altkennzeichen beantragt. Das Saarland hat demnach die Wiedereinführung als einziges Bundesland abgelehnt. In den Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen gibt es keine Altkennzeichen. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind demnach die einzigen Bundesländer, die alle Altkennzeichen reaktiviert haben.
Für Gereon Lauer haben die Altkennzeichen auch etwas Nostalgisches. „Ich kannte sie schon, als sie in den 70er-Jahren abgeschafft wurden – schön sie zurückzuhaben.“