Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Lieber MO als WES

Rund 870.000 Fahrzeuge sind in NRW mit sogenannte­n Altkennzei­chen unterwegs. Die meisten sind in den Kreisen Wesel und Borken auf den Straßen zu sehen. Für Verkehrsmi­nister Wüst sind sie ein Zeichen der Heimatverb­undenheit.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

GLADBECK Gereon Lauer ist stolz, mit den drei Buchstaben GLA auf seinem Autokennze­ichen durch die Gegend zu fahren. „Der Wechsel auf dieses Kennzeiche­n war die richtige Entscheidu­ng. So wissen die Menschen auch in anderen Städten, woher ich genau komme“, sagt er. GLA steht für Gladbeck; davor musste er mit RE herumfahre­n, das steht für den Landkreis Recklingha­usen, zu dem Gladbeck gehört. „Ich habe damals sofort mein Kennzeiche­n gewechselt“, sagt der 70-Jährige.

Im Jahr 2012 ist die Wiedereinf­ührung früherer Kennzeiche­n ermöglicht worden. Seitdem haben sich in Nordrhein-Westfalen rund 870.000 Fahrzeugha­lter für ein Altkennzei­chen entschiede­n, wie das nordrhein-westfälisc­he

„Jetzt wissen die Menschen auch in anderen Städten, woher ich genau komme“

Gereon Lauer Autofahrer aus Gladbeck

Verkehrsmi­nisterium unserer Redaktion mitteilte. Das sind rund 38 Prozent mehr als im November 2017 – bei der letzten großen Zählung.

Die mit Abstand meisten Altkennzei­chen kehrten im Kreis Wesel auf die Straßen zurück, wo mit MO in Moers und DIN in Dinslaken in gleich zwei Städten die Möglichkei­t zum Wechsel besteht. Insgesamt 142.406 Altkennzei­chen wurden im Kreis Wesel bis Juni 2021 vergeben. Auf Platz zwei folgt der Kreis Borken mit insgesamt 106.328 Altkennzei­chen, dessen Autofahrer ebenfalls aus zwei Abkürzunge­n wählen können: AH für Ahaus oder BOR für Borken.

Die Identifika­tion mit den alten Kennzeiche­n ist nach Angaben einiger Städte größer; sie schaffen demnach Identität und sind zudem gut für die Vermarktun­g. Von den 28 Kreisen und kreisfreie­n Städten in NRW mit insgesamt 40 Altkennzei­chen haben sich laut NRW-Verkehrsmi­nisterium 22 für die Wiedereinf­ührung entschiede­n. „Insgesamt wurden, seitdem die Möglichkei­t besteht, nach und nach insgesamt 28 Altkennzei­chen reaktivier­t“, so ein Sprecher des Verkehrsmi­nisteriums. Als bislang letztes Altkennzei­chen wurde im Herbst 2019 für den Kreis Höxter WAR (für Warburg) wieder aktiviert.

Die Altkennzei­chen waren Ende der 60er- und zu Beginn der 70er-Jahre wegen Kreisgebie­tsreformen abgeschaff­t worden; viele Landkreise und Bezirke wurden damals neu gegründet. Statt der bestehende­n Kfz-Kennzeiche­n wurden Regionalkü­rzel zugewiesen wie WES statt MO in Moers und RE statt GLA in Gladbeck. Dass die alten Kennzeiche­n

letztlich zurückkame­n, war vor allem der „Heilbronne­r Initiative Kennzeiche­nliberalis­ierung“zu verdanken, die zwischen 2010 und 2012 in einem Forschungs­projekt herausfind­en wollte, wie die Menschen zu einer Wiedereinf­ührung von Altkennzei­chen stehen. An einer entspreche­nden Umfrage nahmen rund 50.000 Personen teil. Das Ergebnis lautete: 72 Prozent wollten ihre alten Kennzeiche­n zurück.

Der damalige nordrhein-westfälisc­he Verkehrsmi­nister Harry K. Voigtsberg­er (SPD) war von der Rückkehr zu den alten Kfz-Kennzeiche­n

nicht sehr begeistert. Die neuen Nummernsch­ilder hätten sich seit nunmehr 40 Jahren bewährt, hatte sein Ministeriu­m damals noch argumentie­rt.

Der jetzige Verkehrsmi­nister des Landes sieht das inzwischen anders: „Die Altkennzei­chen sind Ausdruck von Heimatverb­undenheit. Es ist schön, dass die Kennzeiche­n gut angenommen werden“, sagt Hendrik Wüst (CDU) zu der Erfolgsges­chichte der Altkennzei­chen. „Das zeigt, dass sich die Menschen stark mit ihrer Heimat identifizi­eren.“Nach Angaben des Portals Kennzeiche­nbox.de

haben bisher zwölf Bundesländ­er Altkennzei­chen beantragt. Das Saarland hat demnach die Wiedereinf­ührung als einziges Bundesland abgelehnt. In den Stadtstaat­en Hamburg, Berlin und Bremen gibt es keine Altkennzei­chen. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind demnach die einzigen Bundesländ­er, die alle Altkennzei­chen reaktivier­t haben.

Für Gereon Lauer haben die Altkennzei­chen auch etwas Nostalgisc­hes. „Ich kannte sie schon, als sie in den 70er-Jahren abgeschaff­t wurden – schön sie zurückzuha­ben.“

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