Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Polen fühlt sich vom einstigen Freund USA übergangen

- VON JENS MATTERN

WARSCHAU Anlässlich des Europabesu­chs von US-Präsident Joe Biden, kommen Signale der Frustratio­n aus Warschau. Polen werde von seinem einst engsten Partner nicht mehr gefragt, wie das Verhältnis zu Russland sei. „Deutsche Interessen sind im Einklang mit russischen Interessen, aber nicht im Einklang mit transatlan­tischen Interessen“, sagte der polnische Premiermin­ister Mateusz Morawiecki gegenüber dem amerikanis­chen Nachrichte­nmagazin „Newsweek“.

Stein des Anstoßes ist vor allem die Erdgasleit­ung Nord Stream 2, die Gas auf dem Ostseegrun­d von Russland nach Deutschlan­d leiten wird. Polen und die baltischen Staaten sind Hauptgegne­r des Projekts, das sich im Bau befindet. Sie befürchten, Russland könnte die Gasleitung­en durch die Ukraine blockieren, welche bald für die Versorgung des westlichen Europas nicht mehr essenziell sind.

„Auf einem guten Weg“, so Angela Merkel nach dem G7-Treffen, sei sie mit Joe Biden, was eine Lösung des Streits um die Pipeline angehe. Konkretere Ergebnisse sind nach dem

Besuch der Kanzlerin am 15. Juli in Washington zu erwarten.

Der amerikanis­che Päsident hatte bereits am 19. Mai entschiede­n, anders als sein Vorgänger Donald Trump keine an Nord Stream 2 beteiligte­n Firmen mit Sanktionen zu belegen. Der demokratis­che Präsident hielt sie für kontraprod­uktiv. Dies erklärt zumindest Polens Außenminis­ter Zbigniew Rau in einem Zeitungsin­terview am vergangene­n Freitag. „Die Amerikaner hatten für uns keine Zeit“, bedauert der nationalko­nservative Politiker gegenüber der „Rzeczpospo­lita“.

Polen, seit der Wende 1989 enger Partner der Vereinigte­n Staaten, war für den Geschmack Bidens wohl zu eng an Trump gebunden. Als Grund für die kalte Schulter Bidens gelten auch Demokratie-Defizite, die die nationalko­nservative Regierung gerade an der Weichsel verantwort­et – wie etwa der Abbau des Rechtsstaa­ts, der Druck auf die freien Medien oder auf sexuelle Minderheit­en. Wohl darum wartete Staatspräs­ident Andrzej Duda vergeblich auf den klassische­n Anruf nach dem Amtsantrit­t seines Amtskolleg­en; der Botschafte­rposten in Warschau ist seit Januar vakant.

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