Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Kampfgeist reicht gegen Frankreich nicht
Der Einsatz stimmt, das Ergebnis nicht. Gegen den starken Weltmeister Frankreich startet das DFB-Team mit einer Niederlage. Ausgerechnet Mats Hummels trifft ins eigene Tor.
MÜNCHEN Das 1:0 war ein sehr schönes Tor, und es ließ Deutschland explosionsartig im Turnier ankommen. Philipp Lahm höchstselbst, damals noch als Linksverteidiger im beruflichen Einsatz, erzielte es im Auftaktspiel der Heim-WM 2006. Und löste damit Ekstase aus bei den mehr als 60.000 Fans auf den Rängen der Münchner Arena, ausgelassene Freude auch bei Teamchef Jürgen Klinsmann und seinem Assistenten Joachim Löw nach der Führung gegen Costa Rica.
Seit langen Jahren ist Löw nun selbst der Chef der Nationalmannschaft, mit der er sich am Dienstagabend wieder einmal in der bayrischen Hauptstadt vorstellte. Nur diesmal hieß der Gegner nicht etwa Costa Rica, sondern Frankreich, der Weltmeister. Das Stadion war zwar nicht so voll wie damals, aber immerhin: 14.000 waren erschienen. Sie sahen in München einen denkbar schlechten Start der Deutschen, die mit der 0:1-Niederlage alles andere als gut in das Turnier starteten.
Sie boten zwar einen engagierten Vortrag, aber gegen effektive und konterstarke Gäste fehlte es letztlich an den geeigneten Mitteln und
Waffen in der Offensive, um zumindest einen wichtigen Punkt mitzunehmen.
Es war ein Spiel, das so ähnlich erwartet worden war. Die Elf von Bundestrainer Joachim Löw war um Kontrolle bemüht, hatte viel Ballbesitz, kam in der gefährlichen Zone aber kaum zur Geltung. Die Franzosen vertrauten ihrem Überfallkommando in der Offensive um ihre drei Musketiere Kylian Mbappé, Karim Benzema und Antoine Griezmann. Akzente setzten zunächst aber die Deutschen. Joshua Kimmich, wie erwartet von Löw auf die rechte Seite verschoben, langte nach nicht einmal sieben Minuten gegen seinen Münchner Teamkollegen Lucas Hernandez ordentlich hin und sah Gelb. Gefährlich wurde es zunächst nur durch Standardsituationen. Ein Kopfball von Paul Pogba (16.) nach Griezmann-Ecke strich knapp übers Tor.
Dabei waren sich die Deutschen der Gefahrenlage ja durchaus bewusst, standen zunächst sehr geordnet und arbeiteten gut nach hinten. Die Startelf hatte sich so auch abgezeichnet mit der defensiveren Dreierkette, um sich der Wucht der Franzosen entgegenzustemmen. Löw setzte also auf exakt jene Mannschaft, die sich beim 7:1 im Test gegen Lettland in Torlaune gezeigt hatte. Doch nach einer Viertelstunde lag plötzlich eher ein Treffer der Franzosen in der Luft. Sie wurden zwingender, und ihre Führung fiel nicht einmal überraschend. Es war jedoch nicht der hochgelobte Drei-Mann-Wirbelsturm, der erfolgreich war. Es war nicht einmal ein Franzose. Eine scharfe Hereingabe des Bayern-Profis Lucas Hernandez
in den Fünfmeterraum semmelte Hummels stramm mit der Wade an Neuer vorbei in den Winkel (20.). Ein schöner Treffer, wenn er nicht auf der falschen Seite gefallen wäre.
Das Spiel kam langsam auf Betriebstemperatur. Die Équipe Tricolore
entzog sich immer häufiger der Kontrolle der Deutschen, die es vor dem Wechsel zwar auf 59 Prozent Ballbesitz und 6:2 Torschüsse brachte. An Zwingendem ließen sie es aber vermisse. Und immer wieder kam Gefahr auf vor dem Tor von
Manuel Neuer, wenn die Franzosen Fahrt aufnahmen wie einer dieser Hochgeschwindigkeitszüge TGV.
Gefährlich wurde es bei der Löw-Elf dagegen nur selten. Zwei Kroos-Freistöße verfehlten ihr Ziel (25., 27.), Gündogan verzog knapp (38.). Die Franzosen waren zufrieden, die Deutschen verständlicherweise nicht. Auch weil ihnen bewusst war, dass sie nun mehr wagen müssten und damit den Franzosen möglicherweise die Tür weit aufmachen würden. Toni Kroos, ein umsichtiger Bälleverteiler, klärte dann als letzter Mann in höchster Not.
Nachdem Adrien Rabiot nach einem schicken Außenristpass Mbappés nur den Außenpfosten getroffen hatte (52.), war aber das DFB-Team am Zug. Doch Gnabrys Direktabnahme ging hauchzart über den Kasten (54.) – die beste deutsche Chance. Nun nahm der ICE Fahrt auf. Die Deutschen erhöhten die Schlagzahl. Müllers Schuss im Strafraum wurde geblockt, und Keeper Hugo Lloris musste gegen Gnabry Kopf und Kragen riskieren (55.). Glück hatten dann die Deutschen, als Mbappés Tänzchen mit anschließendem Treffer nicht galt – Abseits. Löw musste ins Risiko gehen, beorderte Leroy Sané und Timo Werner nach gut 70 Minuten in die Partie. Eine Lücke in der französischen Festung fanden aber auch sie nicht.