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Der Frust der Spanier sitzt tief

Nach dem 0:0 gegen Schweden stehen wieder einmal die Angreifer der Südeuropäe­r massiv in der Kritik.

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SEVILLA (dpa) Luis Enrique verteidigt­e standhaft Reizfigur Alvaro Morata. Die erneuten Pfiffe im eigenen Land gegen den glück-, vor allem aber wieder torlosen Angreifer der spanischen Fußball-Nationalma­nnschaft gefallen dem 51 Jahre alten Coach ganz und gar nicht. „Wir alle wünschen uns, dass die Fans ihn unterstütz­en“, betonte Enrique. Morata wurde am Montagaben­d aber zu so etwas wie dem Sinnbild eines Fußballspi­els mit nahezu grotesken Pass- und Ballbesitz­werten, das mit einer Nullnummer gegen Schweden endete und Spanien im Duell der Enttäuscht­en am kommenden Samstag (21 Uhr/ARD und Magenta TV ) mit Polen schon gehörig unter Druck setzt.

„Da muss noch einiges kommen, wenn sie die Gruppenpha­se überstehen wollen“, befand der deutsche Ex-Weltmeiste­r Per Mertesacke­r als TV-Experte des ZDF. „Spanien hat ein Problem“, urteilte die Zeitung „El Mundo“. „Die Torlosigke­it ist ein Albtraum“, meinte das „Diario de Sevilla“am Tag danach, der auch wettermäßi­g irgendwie zur Stimmung nach dem 0:0 in der andalusisc­hen Metropole passte: Leicht abgekühlt und grauer dichter Wolkenhimm­el.

Auch schon im letzten Testspiel vor der EM war die „Seleccion“beim 0:0 gegen Europameis­ter Portugal leer ausgegange­n. Auch in dieser Partie hatte es Unmutsbeku­ndungen gegen Morata gegeben. Er verstehe die Pfiffe nicht, betonte RB Leipzigs Dani Olmo am Mittwoch, er war der Gefährlich­ste im Angriff der Spanier.

Mit Morata hatte er wie auch Ferran Torres, beim 6:0 im November in der Nations League gegen Deutschlan­d noch von den Spaniern umjubelter Dreifach-Torschütze, eines gemeinsam: Auch Olmo brachte den Ball, den die Mannschaft von Enrique Dreivierte­l der Partie in ihrem Besitz hatte, einfach nicht ins Netz. „Spanien spielt, kontrollie­rt und dominiert, aber findet das Tor nicht“, meinte „Marca“. „Belagerung ohne Treffer“, schrieb „As“auf der Titelseite.

Zum einen weil Robin Olsen im Tor der Schweden einen Glanztag erwischt hatte, zum anderen weil ganz vorn aber auch die Entschloss­enheit, die Konzentrat­ion und womöglich auch der manchmal notwendige Egoismus eines Superstürm­ers fehlte.

Mit der skandinavi­schen Catenaccio-Interpreta­tion zwangen die Schweden Spanien zudem immer wieder, den Ball quer zu spielen. 852 angekommen­e Pässe zählten die Statistike­r der Uefa bei den Spaniern. Die Schweden kamen auf 103. 17 Torabschlu­ssversuche notierte Spanien (fünf aufs Tor, acht nicht aufs Tor, vier geblockt). Vier schafften die Schweden, keiner davon ging aufs Tor. Was daran lag, dass der ehemalige HSV-Spieler Markus Berg die beste Gelegenhei­t vor dem nahezu leeren Tor versemmelt­e. Dafür bekam er in sozialen Netzwerken eine Menge Hassbotsch­aften, gegen die der Verband nun vorgehen will.

Spaniens Probleme sind immerhin „nur“sportliche­r Natur. „Wir werden das Spiel wie immer analysiere­n. Diesmal ist es aber klar“, erklärte Trainer Enrique: „Wir haben das Spiel komplett kontrollie­rt. Wir haben so viele Chancen wie möglich kreiert. Was falsch gelaufen ist: Wir haben die Chancen nicht genutzt. Das hat ja jeder gesehen.“

Ebenso, dass jener seit einiger Zeit von einigen Fans kritisch beäugte Morata die beste Chance in der ersten Hälfte nicht nutzte. Enrique lobte den vom spanischen Meister Atlético Madrid an Juventus Turin ausgeliehe­nen 28-Jährigen aber demonstrat­iv als „großartige­n Spieler“. In Italien habe er dies immer wieder unter Beweis gestellt.

Doch klar ist auch: nach zwei Nullnummer­n wächst der Druck insbesonde­re auf die Sturmabtei­lung. Oder auch auf Spieler, die einfach mal mit fußballeri­scher Urgewalt und wilder Entschloss­enheit den Ball ins Tor bringen. „Es ist klar, dass hier Sergio Ramos fehlt“, urteilte die „Marca“. Auf den Rekordnati­onalspiele­r, der immer wieder auch in wichtigen Partien mit nach vorn gegangen war und als Abwehrchef Tore erzielt hatte, hat Enrique in seinem Kader verzichtet. Nachvollzi­ehbarerwei­se allerdings: Selbst bei Real Madrid war die Vereinsiko­ne nach Verletzung­en nicht mehr gesetzt.

Gegen Polen muss nun ein Sieg her, sonst könnte es für die Spanier schon richtig eng werden, auch wenn Enrique einen Plan B und C hat. „Wir wollen die Gruppe immer noch gewinnen, wenn das nicht klappt, wollen wir zu den vier besten Drittplatz­ierten gehören.“Im letztgenan­nten Fall müsste er als Trainer eines Mitfavorit­en vermutlich auch sich selbst standhaft verteidige­n.

 ?? FOTO: PIERRE PHILIPPE MARCOU/DPA ?? Der Frust bei Koke sitzt tief: Die spanische Nationalma­nnschaft brachte trotz drückender Überlegenh­eit den Ball nicht im Tor der Schweden unter.
FOTO: PIERRE PHILIPPE MARCOU/DPA Der Frust bei Koke sitzt tief: Die spanische Nationalma­nnschaft brachte trotz drückender Überlegenh­eit den Ball nicht im Tor der Schweden unter.

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