Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Kommunen wollen Impfzentren behalten
Wie geht es mit den 53 Impfzentren in NRW weiter? Landkreistag und Stadt Düsseldorf können sich eine Fortsetzung vorstellen. In den Arztpraxen kommt derweil nur wenig Impfstoff an: Ende Juni gibt es kein Johnson & Johnson mehr.
DÜSSELDORF Sie befinden sich meist in einer Messe-, Eissportoder Stadthalle: In 53 Kreisen und kreisfreien Städten von NRW wurden Impfzentren errichtet, Millionen Bürger haben hier ihre Corona-Impfung erhalten. Nun muss entschieden werden, wie es mit ihnen weitergeht. Der Deutsche Städtetag fordert, dass die Impfzentren länger in Betrieb bleiben. Mit ihren großen Kapazitäten seien sie zu wichtig, um einfach abgewickelt zu werden, sagte Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der „Passauer Neuen Presse“. Zudem würden aus den Zentren die mobilen Impfteams in Pflegeeinrichtungen und soziale Brennpunkte starten. Auch der Deutsche Landkreistag (DLT) kann sich eine Fortführung vorstellen: „Bislang können wir noch nicht genau absehen, ob wir die Zentren nicht möglicherweise doch über den 30. September hinaus brauchen“, sagte DLT-Präsident Reinhard Sager unserer Redaktion. „Derzeit jedenfalls haben die Impfzentren die wichtige Aufgabe einer breiten Impfung der Bevölkerung. Daher sollte man sie nicht schließen, bevor wir ein ordentliches Impfniveau erreicht haben.“Aktuell sind bundesweit 48,7 Prozent der Bürger mindestens einmal geimpft, 26,8 Prozent vollständig.
Auf der anderen Seite stehen die Kosten: „Als Teil der Kriseninfrastruktur wollen wir diese kostenund personalintensiven Einrichtungen natürlich nicht auf unbegrenzte Zeit in der Hinterhand behalten“, so Sager. Die Finanzierung der Zentren ist bis September gesichert, die Kosten trägt zur Hälfte der Bund, den Rest teilen sich Länder und Kommunen. Sager mahnte: „Wenn man tatsächlich Ende September schließen will, dann müssen rechtzeitig die Bedingungen dafür feststehen.“Die Kommunen bräuchten schnell Klarheit.
Auch die Stadt Düsseldorf kann sich eine Fortsetzung vorstellen: „Grundsätzlich ist die Vorhaltung eines Impfzentrums zum jetzigen Kenntnisstand durchaus sinnvoll, um die ärztlichen Systeme des Gesundheitswesens zu entlasten“, erklärte ein Sprecher der Landeshauptstadt. Allerdings müssten dann die Betriebsvoraussetzungen – sprich: die Finanzierung – angepasst werden. Düsseldorf sind bisher Kosten in Höhe von 5,02 Millionen Euro für sein Zentrum entstanden. Hier wurden 189.000 Erst- und 129.000 Zweitimpfungen vorgenommen. Das NRW-Gesundheitsministerium hat den Kommunen mitgeteilt, dass die Impfzentren noch bis Ende
September betrieben werden sollen. Bundesweit gehen die Länder unterschiedlich vor: Hessen will seine Zentren ab September eigentlich schließen, Niedersachsen will sie offenhalten. Der Bund wolle die Impfzentren nun auch über den September hinaus mitfinanzieren, erklärte am Dienstag Berlins Regierender
Bürgermeister Michael Müller (SPD), der der Ministerpräsidentenkonferenz vorsitzt. Die Regierungen merkten „in allen Ländern, dass wir die Impfzentren noch brauchen“.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV), die mit den Ärzten durchführender Dienstleister in den Zentren
ist, gab sich zurückhaltend: „Durch mögliche weitere Mutationen könnten grundsätzlich auch in den nächsten Monaten und Jahren noch beziehungsweise erneut Impfungen der Bürger und der Alten- und Pflegeheime notwendig sein. Dann müsste man schauen, wie dies organisiert wird“, sagte ein Sprecher. Es gibt auch andere Stimmen: Der Hausärzteverband hat sich für eine Schließung ausgesprochen und fordert mehr Impfstoff für die Praxen. Der Apothekerverband Nordrhein sieht das ebenso: „Die Impfzentren sollten nicht weiter betrieben werden“, so Verbandschef Thomas Preis. „Das eingesparte Geld sollte besser in die Impfstoff-Versorgung über die Hausarztpraxen investiert werden. Die Impfkampagnen in den Hausarztpraxen sind schneller und effektiver.“
Die deutschen Impfzentren erhalten 2,25 Millionen Dosen pro Woche. Was darüber hinaus geliefert wird, können sich die Haus- mit den Betriebsärzten teilen. Doch das ist wenig: „Auch in der letzten Juni-Woche werden die Arztpraxen bundesweit wie seit Ende Mai nur etwa gut drei Millionen Impfstoff-Dosen geliefert bekommen“, erklärte Preis. „Die Lieferungen treten jetzt seit vier Wochen auf der Stelle.“Er kritisierte, dass Betriebsärzte bevorzugt werden: „In der letzten Juni-Woche wird den Hausärzten gar kein Impfstoff von Johnson & Johnson zur Verfügung stehen. Dafür bekommen jetzt die Betriebsmediziner den nur einmal zu impfenden Impfstoff geliefert.“Preis forderte, die Hausärzte besser zu versorgen.