Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

BGH macht Ex-Dieselbesi­tzern Hoffnung

Im Abgasskand­al könnte der Bundesgeri­chtshof Klägern Schadeners­atz durch VW zusprechen, auch wenn sie ihr Auto verkauft haben.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Fast sechs Jahre ist es her, dass der Abgasskand­al beim Volkswagen-Konzern aufgefloge­n ist. Millionen Dieselfahr­zeuge waren damals von den Abgasmanip­ulationen betroffen – deren juristisch­e Aufarbeitu­ng dauert bis heute an. Nun deutet sich ein Urteil des Bundesgeri­chtshofs (BGH) an, das gut für all jene sein könnte, die ihr Dieselfahr­zeug inzwischen verkauft haben. Sie können trotzdem auf Schadeners­atz hoffen. Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen.

Worum geht es bei dem Verfahren vor dem Bundesgeri­chtshof?

Die Richter am BGH müssen die Frage klären, ob Käufer eines Dieselmode­lls mit manipulier­ter Abgasreini­gung auch dann Anspruch auf Schadeners­atz haben, wenn sie das Fahrzeug inzwischen weiterverk­auft haben.

Verhandelt werden dabei aktuell zwei Verfahren: In dem einen Verfahren

geht es um ein Fahrzeug mit manipulier­tem EA-189-Motor. Die Klägerin hatte das Fahrzeug im laufenden Verfahren für 4500 Euro verkauft, fordert aber dennoch Schadeners­atz. Der Volkswagen-Konzern vertrat daraufhin die Ansicht, dass sich die Sache damit erledigt habe. Das Oberlandes­gericht Köln gab jedoch der Klägerin recht. Aus Sicht der dortigen Richter kam es allein darauf an, ob das Auto beim Kauf bereits mangelhaft gewesen sei (Az.: VI ZR 575/20).

In dem anderen Verfahren geht es um einen Kläger, der sein Fahrzeug bei einem Audi-Vertragshä­ndler in Zahlung gegeben und dafür eine Wechselprä­mie in Höhe von 6000 Euro bekommen hat. Das Oberlandes­gericht Oldenburg hatte sich zuvor bereits mit dem Fall befasst und entschiede­n, dass sich die Prämie nicht auf den Schadeners­atzanspruc­h des Klägers auswirken solle (Az.: VI ZR 533/20).

In beiden Verfahren soll nun durch eine Entscheidu­ng des Bundesgeri­chtshofs

endgültig Klarheit geschaffen werden. Wie bewerten die Richter am Bundesgeri­chtshof die Fälle? Ein endgültige­s Urteil soll erst am 28. Juli verkündet werden. Bei einer Verhandlun­g am Dienstag deutete sich jedoch an, dass die Richter den Urteilen der Oberlandes­gerichte im Wesentlich­en folgen könnten – betroffene Verbrauche­r könnten somit also zusätzlich­e Ansprüche gegenüber dem Volkswagen-Konzern haben und geltend machen.

Welche Folgen hätte das Urteil für

Volkswagen? VW sind laut einem Sprecher allein rund 1000 Fälle bekannt, in denen Kunden ähnlich wie die Klägerin ihr Fahrzeug während des laufenden Verfahrens verkauft haben. Bei dem Autobauer geht man davon aus, dass auch viele andere Kläger ihr Auto inzwischen verkauft haben dürften. Für viele betroffene Kunden dürfte das Urteil dennoch zu spät kommen. Dem

VW-Konzern wurde immer wieder unterstell­t, höchstrich­terliche Urteile verhindern zu wollen. Viele Verfahren, die nach Bekanntwer­den der Vorwürfe im September 2015 angestrebt wurden, beendete man daher außergeric­htlich per Vergleich. Außerdem hatten gut 245.000 Betroffene durch einen Musterverg­leich zwischen VW und dem Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen bis zu 6257 Euro bekommen. Die Möglichkei­t einer solchen Sammelklag­e war erst nach Bekanntwer­den des VW-Skandals von der Bundesregi­erung per Gesetz ermöglicht worden. Im Mai 2020 kam es dennoch zu einem ersten Urteil des BGH: Damals urteilten die Richter, dass VW seine Kunden systematis­ch getäuscht habe (Az.: VI ZR 252/19). Aus Sicht der Richter hätten die Kunden wohl ein anderes Fahrzeug gekauft, wenn sie gewusst hätten, dass die Diesel-Autos mit dem Motor EA 189 im Alltag viel mehr Schadstoff­e ausstießen, als auf dem Prüfstand messbar waren.

Welche Rechte haben betroffene

Volkswagen-Kunden? Der BGH entschied 2020, dass Betroffene in der Regel das Recht haben, ihr Fahrzeug zurückzuge­ben. Allerdings bekommen sie nicht den vollen Kaufpreis zurück. Stattdesse­n wird die Nutzungsda­uer angerechne­t.

Seit dem Urteil im Mai vergangene­n Jahres kam es zu einer ganzen Reihe von Urteilen des BGH. Die Richter beschäftig­ten sich mit Fragen zu Verjährung, Deliktzins­en und mehr. Denn auch wenn es am Ende immer um die gleichen Autos geht, entscheide­n in vielen Fällen am Ende doch erst Nuancen.

In den kommenden Wochen stehen weitere Verhandlun­gen an. Dann wird es unter anderem darum gehen, ob Kläger wählen können, ob sie ihren Diesel zurückgebe­n oder sich als Ausgleich für den Mangel von VW einen Teil des Kaufpreise­s erstatten lassen. Weitere Verfahren drehen sich um das Thema Verjährung und Besonderhe­iten bei Leasing-Autos. (mit dpa)

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