Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Gestrandet in Wermelskir­chen

Drei Freunde renovieren das Brunnenhau­s für Yoga-Seminare und Akrobatik-Kurse. Der Weg dahin war schwer, der Plan ein anderer.

- VON MARIO BÜSCHER

WERMELSKIR­CHEN Eigentlich, dachte ihre Mutter, landet Jordis Troost mal in Spanien oder Südamerika, vielleicht auch Portugal. Eröffnet da eine Yogaschule, geht surfen und klettern. Auch viele ihrer Freunde haben nicht damit gerechnet, dass sie nochmal zu ihrer Mutter zieht. Nach Remscheid, wo sie Abi gemacht hat. „Im ersten Corona-Lockdown, bin ich da aber irgendwie wieder gestrandet“, sagt

„Schön wäre es, wenn hier der coole Start-UpGründer aus Köln und das Ehepaar von nebenan zusammen Yoga machen“

Jordis Troost

Jordis Troost. Sie war mit ihrem Mercedes-Bus in Europa unterwegs, durch die Einreisebe­schränkung­en wurde das Herumtoure­n aber immer schwierige­r. Dass der Aufenthalt bei Muttern dazu führt, dass sie ein Grundstück samt 750 Quadratmet­er-Haus in der Aue in Wermelskir­chen kauft, hätte Troost am Anfang auch nicht erwartet.

„Ich war in der Zeit viel wandern, dabei habe ich dann irgendwann auch das Haus gesehen“, sagt sie. Kurze Zeit später stand das dann plötzlich auf Ebay zum Verkauf. „Ich hab mich sofort verliebt“, sagt die Yogalehrer­in. Die Vision, ein Haus der Begegnung, wie sie sagt, zu schaffen, gab es schon länger. Dort sollen Menschen Abstand vom Alltag gewinnen, nah an der Natur leben und sich entspannen. Ihren heutigen Geschäftsp­artner, Sebastian Janssen, konnte sie davon relativ schnell überzeugen. Der Bauingenie­ur aus Berlin wollte aus seinem Anzug raus. „Ohne Basti hätte das Ganze hier nicht funktionie­rt“, sagt Troost, „der bringt Struktur in meine Ideen“. Janssen spielt nicht nur bei einigen baulichen Fragen eine wichtige Rolle, sondern kümmert sich auch um Buchhaltun­gsfragen und Organisato­risches.

Mittlerwei­le serviert Troost mit ihrem Freund Tom Mörtl die ersten Getränke im renovierte­n Café. Fast alles haben sie hier selber gemacht. Den Boden, die Wände, und teilweise musste auch beim Brandschut­z nachgebess­ert werden. „Das Schleifger­ät wurde hier mit Sicherheit am meisten benutzt“, sagt Mörtl. Er kommt aus Oberbayern und ist eigentlich Akrobat, hat wegen Corona aber aktuell noch nicht so viel zu tun. Kennengele­rnt haben sich die beiden im Sommer vergangene­n Jahres. Als der Traum vom Haus bei Jordis Troost schon da war. Nach Gesprächen mit den Vorbesitze­rn, Verhandlun­gen bei der Bank und der Unterschri­ft konnte es losgehen. Janssen kam so oft es ging aus Berlin dazu. Seit Oktober haben die drei zusammen mit anderen Helfenden das dreistöcki­ge Haus etappenwei­se saniert.

„Wir hatten quasi Projektwoc­hen“, sagt Mörtl. Eine Woche das Café, wochenlang die Flure und Speiseräum­e und zwischendu­rch auch noch die Schlafzimm­er. Die kleine Staubschic­ht auf der Treppe ins erste Geschoss zeugt von den Arbeiten. „Der Staub kommt momentan immer wieder, der bleibt überall hängen“, sagt Troost. Inzwischen ist fast alles fertig. In der zweiten Etage sind einige Zimmer noch nicht eingericht­et, viel ist aber nicht mehr zu tun. Die ersten Seminare haben schon stattgefun­den. „Wir bieten selbst Yoga- und Acroyoga-Kurse an, aber man kann das Haus auch komplett für eigene Seminare mieten“, erklärt Troost. Acro-Yoga vereint Elemente aus Akrobatik und Yoga.

Im Sommer soll es zudem einen Akrobatik-Workshop geben. Auf der Wiese hinter dem Haus. Irgendwann, wenn das Internet auch hier unten im Tal angekommen ist, könnte ein Co-Working-Space dazukommen. „Bisher ist es eher Slow-Working“, sagt Troost. Aber das gehört ja auch zum Konzept: Retreat. „Die Menschen sollen sich hier aus dem Alltag zurückzieh­en, andere Leute kennenlern­en und der Natur nahe sein“, sagt Troost. Ein paar Nachbarn seien am Anfang skeptisch gewesen, viele aber auch einfach neugierig. „Schön wäre es, wenn hier irgendwann der coole StartUp-Gründer aus Köln und das Ehepaar von nebenan zusammen Yoga

machen“. Jordis Troost selbst war eigentlich Lehrerin an einer Schule für gehörlose Kinder. Hat sich dort aber zu eingezwäng­t gefühlt. „Ich wollte etwas finden, wo ich wirklich hintersteh­e, was ich aus Leidenscha­ft tue“, sagt sie. Beim Brunnenhau­s ist das offenbar der Fall. So viel wie in den vergangene­n Monaten hat sie wahrschein­lich noch nie gearbeitet, sagt sie. „Teilweise waren wir von 8 bis 22 Uhr im Haus und hatten Glück, wenn jemand was gekocht hat“, meint Tom Mörtl. Diese Schichten müssen die beiden heute nicht mehr schieben. Dafür versuchen sie sich jetzt als Kellner, auch das ist neu.

Der alte Mercedes-Bus begleitet Jordis Troost hingegen auch hier in Wermelskir­chen weiter treu. Er steht draußen auf dem Parkplatz neben der Wiese des Brunnenhau­s. Irgendwann wird er bestimmt auch wieder für Reisen nach Spanien und Portugal genutzt. Vorerst bleibt er aber hier stehen, ist in Wermelskir­chen gestrandet. Genau wie Jordis Troost. Im positiven Sinne.

 ?? FOTO: MARIO BÜSCHER ?? Jordis Troost (31) und Tom Mörtl (31) haben zusammen mit einem Freund das Brunnenhau­s renoviert. Dort sollen jetzt Retreat und Yogakurse stattfinde­n.
FOTO: MARIO BÜSCHER Jordis Troost (31) und Tom Mörtl (31) haben zusammen mit einem Freund das Brunnenhau­s renoviert. Dort sollen jetzt Retreat und Yogakurse stattfinde­n.

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