Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Sie nennt die Toten bei ihren Namen
Cornelia Janzen hält bei rund 100 anonymen Bestattungen im Jahr auf dem Waldfriedhof Reinshagen eine Trauerrede, die einen möglichst persönlichen Bezug zu den Verstorbenen herstellt. Dafür geht sie auf Spurensuche.
REINSHAGEN Eine Wiese am Rande des von der Stadt betriebenen Waldfriedhofs Reinshagen. Für im Schnitt 100 Menschen im Jahr ist das die letzte Ruhestätte. Dass sie hier beerdigt wurden und wie ihre Namen waren, weiß (fast) niemand. Kein Namensschild, kein Grabstein bleibt als Spur zurück bei der sogenannten Anonymen Urnenbeisetzung. Keine Todesanzeige hat die Nachwelt über das Ableben dieser Menschen informiert oder auf eine Beerdigung hingewiesen.
Diese auch als Sozialbestattung bekannte Form der Beisetzung wird immer dann veranlasst, wenn die Menschen am Ende ihres Lebens von der Sozialhilfe gelebt haben und „wenn es keine Angehörigen und Freunde gibt, die sich um die Bestattung kümmern“, sagt Roland Hülsmann vom Ordnungsamt. „Wir können niemanden zwingen, das zu tun.“In diesen Fällen beauftragt die Stadt selber einen Bestatter mit der Beisetzung. Jeweils für zwei Jahre macht sie Verträge mit einer örtlichen Firma. „Es ist immer die preiswerteste Bestattung“, sagt Hülsmann.
Als Cornelia Janzen zum ersten Mal von dieser Form der Bestattung hörte, war sie entsetzt, berichtet sie im Gespräch mit der Redaktion. „Ich finde, jeder Mensch hat das Recht auf eine Verabschiedung“, sagt die ehrenamtliche Mitarbeiterin des Vereins Ambulantes Hospiz Remscheid. Vor rund fünf Jahren nahm sie daher Kontakt zum Ordnungsamt auf.
Seitdem bekommt sie von der Stadt ein paar Grundinformationen über die Verstorbenen. „Ich erfahre, wer der Mensch ist und wo er zuletzt gelebt hat.“Dann beginnt ihre Recherche. In einem Altenheim am Hasten etwa fand sie den Bruder eines Verstorbenen. „Er hat mir viel über das Leben der beiden Brüder erzählt.“Diese Informationen baute sie später in ihre Grabrede ein.
In einem Seminar hat sich Cornelia Janzen als Trauerrednerin ausbilden lassen. Sie ist immer froh, wenn sie etwas über die Verstorbenen in Erfahrung bringen kann. Das macht die Rede persönlicher. Immer aber nennt sie bei der Beisetzung den Namen, den Geburtstag und den Todestag der Verstorbenen. Ihre Erfahrung: Häufig sind es geschiedene Männer, wo kein familiärer Kontakt mehr besteht, die am Ende ihres Lebens alleine waren.
Mit dem Bestatter hat sie vereinbart, dass einmal im Monat Beisetzungen stattfinden. Mal sind es fünf Urnen, mal nur eine, die dann in die Erde gebracht werden. Acht bis zehn Mitstreiter der Hospizgruppe bilden als „Statisten“die Trauergemeinde. Wenn das Wetter trocken ist, begleitet Claudia Braune die Zeremonie auf der Querflöte. „Es gibt mir mehr, als dass es mich betrübt“, sagt Cornelia Janzen über ihr Engagement
für die Toten. „Wir danken Frau Janzen für ihr Engagement des Abschiednehmens bei Sozialbestattungen in Remscheid“, sagt Birgit
Trunk, Beisitzerin im Vorstand des Hospiz-Vereins. Es gehe dem Verein „um einen Abschied vom Leben in Würde und Respekt“.
Auch Oliver Jilg, bei den Technischen Betrieben Remscheid (TBR) für die Friedhöfe der Stadt zuständig, ist dankbar für das Engagement von Cornelia Janzen. Aktuell überlegt die Stadt, auf der Wiese auf dem Waldfriedhof Reinshagen eine Tafel aufzustellen, die Besuchern den Zweck dieses besonderen Grabfeldes erklärt.
Während die Wiese selber bald keinen Hinweis mehr darauf gibt, wer hier wo seine letzte Ruhestätte fand, sind Namen und Ruheorte der Verstorbenen doch archiviert. So konnte Oliver Jilg jüngst einem
Vater aus Hamburg helfen, der erst spät vom Tod seines Sohnes erfuhr. Die Urne wurde in die Hansestadt überführt.