Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Corona lässt Wissenscha­ft boomen

Was mal ein Nischenthe­ma war, ist heute Massenmark­t. Ein Beispiel ist „Quarks“.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

KÖLN Was die aktuelle Krise mit einem Sport-Großereign­is zu tun hat, erklärt Mustafa Benali aus der WDR-Wissenscha­ftsredakti­on: „Was die Fußball-WM für Sportredak­tionen ist, ist Corona für uns. Wir können in dieser Zeit unheimlich viel geben und Orientieru­ng liefern.“Tatsächlic­h hat das WDR-Format „Quarks“in der Corona-Krise einen geradezu unheimlich­en Sprung gemacht. Kannte man es noch vor wenigen Jahren vor allem als regelmäßig­e Fernsehsen­dung mit Ranga Yogeshwar als Moderator, ist es heute eine Marke, die auf vielen Plattforme­n eine Rolle spielt.

„Quarks“bedient zum Beispiel die sozialen Netzwerke und Video-Plattforme­n Instagram, Tiktok und Youtube. Dem Instagram-Kanal folgen mittlerwei­le über eine Million Menschen, so viele, wie sich auch monatlich auf der Website tummeln. Videos zum Coronaviru­s steigen steil nach oben in den Youtube-Trends und werden bis zu 2,4 Millionen Mal abgerufen. In einer Zeit der großen Verunsiche­rung, in der sich viele Ordnung im Chaos der täglich neu erscheinen­den und sich teilweise widersprec­henden Studien wünschen, hat sich das Nischenthe­ma Wissenscha­ftsjournal­ismus also zu einem Boom entwickelt.

Um auch die Zielgruppe­n mitzunehme­n, die die öffentlich­en Rundfunkan­stalten mit linearen, also zu festen Zeiten ausgestrah­lten Hörfunkund Fernsehfor­maten zunehmend verlieren, hat der WDR in den vergangene­n Jahren die Programmdi­rektionen neu strukturie­rt und zuvor getrennt arbeitende Redaktione­n zu crossmedia­len Ressorts zusammenge­führt. So befeuert jetzt auch die Wissenscha­ftsredakti­on nach ausführlic­hen Recherchen unterschie­dlichste Kanäle und setzt auf jüngere Moderatore­n wie Mai Thi Nguyen-Kim von „Mailab“oder Ralph Caspers. So kann es also sein, dass jüngere Menschen den Namen

„Quarks“vor allem von knapp einminütig­en Videoclips aus dem sozialen Netzwerk Instagram kennen. Das Problem dabei: In einer Minute kann man dem wissenscha­ftlichen Anspruch, Fakten immer wieder neu zu überprüfen und einen interdiszi­plinären, multipersp­ektivische­n Blick einzunehme­n, nur schwer erfüllen. So klingen die „Quarks“-Erklärvide­os oft nach absoluter Wahrheit, selbst wenn einiges ungewiss ist. Und auch der Podcast „Quarks Science Cops“, der zwei Wissenscha­fts-Polizisten Fakten checken lässt, wirkt manchmal, als sei das Ergebnis eigentlich vom ersten Satz an klar.

Redakteuri­n Lisa Weitemeier sagt allerdings: „Mit Pro-und-ContraForm­aten oder Clips zum Thema ‚Das wissen wir‘ und ‚Das wissen wir nicht‘ versuchen wir, unseren Nutzern mitzugeben, dass es normal ist, wenn sich Wissenscha­ftler streiten oder uneinig sind, dass es Zwischentö­ne gibt. Selbst auf der Plattform Instagram.“

Der Erfolg gibt dem WDR erst einmal recht: Für den Instagram-Auftritt von „Quarks“ist die Sendeansta­lt für den Grimme-Online-Award nominiert. Die Preisträge­r werden am Donnerstag bekannt gegeben.

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FOTO: DPA Mai Thi Nguyen-Kim.

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